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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sind Juden! Ja! Sie bereiten David auf seinen Bar-Mizwa vor! Ja! Heute ist Jom Kippur, und ich höre die Töne des Schofar aus ihrem Dorf. Ja! Ja. So sei es. So sei es, ja, und Ihm sei alles Lob.

Der Weg ins Chaos
1
    Am ersten Sommertag stahl Silena Ruiz, meine Monats-Frau, das Hauptprogramm unseres Distrikts aus dem Computerzentrum Ganfield Hold und verschwand damit. Ein Wachtposten aus dem Hold hat gestanden, daß sie Zugang erlangte, indem sie ihn verführte und ihm anschließend eine Droge einflößte. Manche sagen, sie sei jetzt in Conning Town, andere haben Gerüchte gehört, sie sei in Morton Court gesehen worden, wieder andere behaupten, ihr Ziel sei die Mill gewesen. Es spielt wohl keine Rolle, wo sie hingegangen ist, nehme ich an. Wir haben elf Tage ohne das Programm gelebt, und der Zerfall beginnt. Die Hitze ist abscheulich groß, aber wir müssen jeden Thermostaten auf Handschaltung umstellen, bevor wir unser Kühlsystem verwenden können; ich glaube, wir werden in unserer Haut gesotten sein, bevor das bewältigt ist. Ein Versagen der Kameras, die unseren Müllkompaktor steuern, hat die Müllsammler zum Stillstand gebracht, die nicht hinausfahren, wenn sie keinen Ort haben, wo sie abliefern können, was sie einsammeln. Da niemand den richtigen Befehl weiß, den man dem Kompakter geben muß, sammelt sich Abfall, bildet in jeder Straße pestilenzartig stinkende Hügel, und über ihnen schweben dichte Schwärme von Fliegen oder Schlimmerem. Ab dem vierten Tag kam auch unsere Polizei zum Stillstand – wer kann sagen, warum? –, und inzwischen stehen sie alle regungslos. Manche fangen bereits an zu rosten, da die Wartungspläne durcheinandergeraten sind. Es verbreitet sich, daß wir ohne Schutz sind, und Fremde gelangen ungestraft in den Distrikt, belästigen unsere Frauen, stehlen unsere Kinder, berauben unsere Lebensmittellager. In Ganfield Hold arbeiten ganze Abteilungen müder, schwitzender Techniker fortwährend daran, das fehlende Programm zu ersetzen, aber es kann Monate, ja, Jahre dauern, bis sie ein neues herstellen können.
    Theoretisch werden Programmduplikate innerhalb der Gemeinschaft an verschiedenen Orten deponiert, um eben eine solche Katastrophe zu verhindern. Tatsächlich besitzen wir keines. Das im Büro des Distriktsvorstehers erwies sich als seit zwanzig Jahren veraltet; das in der Obhut im Haus des Seelenvaters ist von Ratten gefressen worden; das Programm in den Gewölben der Steuereinnehmer schien intakt zu sein, aber als es in den Eingangsschlitz geschoben wurde, verfehlte es auf rätselhafte Weise, die Computer in Betrieb zu setzen. So sind wir hilflos: ein ganzer Distrikt, Hunderttausende von Menschen, losgerissen, auf dem Meer des Zufalls treibend. Silena, Silena, Silena! Ganz Ganfield lahmzulegen, unser schon mühseliges Leben noch mehr zu erschweren, mich dem Haß meiner Nachbarn auszusetzen – warum, Silena? Warum?
    Die Leute funkeln mich auf den Straßen böse an. Sie schieben mir in gewisser Beziehung die Verantwortung für alles zu. Sie zeigen auf mich und murmeln vor sich hin; in ein paar Tagen werden sie ausspucken und fluchen, und wenn nicht bald Hilfe kommt, werden sie vielleicht mit Steinen werfen. Hört, möchte ich schreien, sie war nur meine Monats-Frau, und sie hat immer ganz nach ihrem eigenen Willen gehandelt. Ich versichere euch, ich hatte keine Ahnung, daß sie so etwas tun würde. Und trotzdem geben sie mir die Schuld. In den reichen Häusern von Morton Court werden sie heute in Ganfield gestohlene Babys verzehren, und ich werde verantwortlich gemacht.
    Was soll ich tun? Wohin kann ich mich wenden?
    Ich muß vielleicht fliehen. Der Gedanke, Distriktsgrenzen zu überschreiten, macht mich schaudern. Ist es die Todesgefahr, die ich fürchte, oder nur der Verlust all dessen, was mir vertraut ist? Wahrscheinlich beides; ich sehne mich nicht nach dem Tod, und ich will Ganfield nicht verlassen. Trotzdem werde ich gehen, gleichgültig, wie schwer es sein wird, Zuflucht zu finden, wenn ich sicher über die Grenze gelange. Wenn sie fortfahren, mich mit Silenas Verbrechen zu belasten, wird mir nichts anderes übrigbleiben. Ich glaube, ich würde lieber durch die Hände von Fremden sterben, als durch die meiner eigenen Leute.
2
    In dieser schwülen Nacht stehe ich auf dem Ganfield-Turm, suche kühlen Luftzug und die Zuflucht der Dunkelheit. Der halbe Distrikt ist auf den Gedanken gekommen, der Hitze zu entfliehen, indem man hier heraufsteigt, wie es den Anschein hat; um

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