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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Goffart
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AIG erstmals direkte Finanzhilfen. Und in Irland stand mit einem Mal ein ganzer Staat vor dem Bankrott, weil er die Kontrolle über seine Banken verloren hatte.
    Peer Steinbrück gilt heute als »Manager der Krise«, weil er während der gefährlichen Talfahrt der Finanzmärkte die Nerven behielt und zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die richtigen Entscheidungen fällte. Die geistesgegenwärtige Garantie der Spareinlagen zählt ohne Zweifel dazu. Allerdings darf man nicht vergessen, dass dieses Manöver bereits einen abrupten Meinungswandel darstellte. Auch bei anderen Fragen wird in der kritischen Rückschau deutlich, dass so manche Entwicklung von Steinbrück und Merkel anfangs völlig falsch eingeschätzt wurde. Der damaligen Bundesregierung unterliefen bei ihrem Krisenmanagement Einschätzungsfehler, die heute allzu gerne in das milde Licht des Vergessens getaucht werden. Auch das gehört zum Mythos des viel gerühmten Krisenmanagers.
    Am 16. September 2008, einem Dienstag, hält Steinbrück eine Rede vor dem Deutschen Bundestag. Formaler Anlass ist die Einbringung des Haushalts 2009, aber in Wahrheit dreht sich alles um die jüngste Entwicklung der Krise. Steinbrück hat sich entschlossen, staatsmännisch aufzutreten, den Ernst der Lage nicht zu verharmlosen, angesichts der spürbaren Nervosität aber auch nicht zu übertreiben. So hat er es rückblickend in seinem Buch geschildert. Er weiß, dass die Akteure an den Finanzmärkten in diesen dramatischen Tagen, als hart um die staatliche Rettung privater Geldinstitute gerungen wird, jedes Wort eines Finanzministers auf die Goldwaage legen werden. Nichts erscheint Steinbrück deshalb schlimmer als der Vorwurf, durch unbedachtes Reden eine Panik an den Börsen zu verursachen. »Mir erschien eine ausgewogene und vorsichtige Darstellung der Lage, die mir möglicherweise den Vorwurf der Verharmlosung einbrachte, ratsamer als eine scharf problematisierende und möglicherweise entflammende Rede«, wird er nachträglich seine Wortwahl erklären.
    Die Kritiker hingegen werten Steinbrücks Auftritt vor dem Bundestag im September 2008 als klaren Beweis für die völlige Fehleinschätzung der Situation am Tag nach dem Lehman-Zusammenbruch. Nun ist man im Nachhinein immer klüger; vor allem wenn es, wie seinerzeit der Fall, keinerlei Erfahrung mit Krisen dieses Ausmaßes gegeben hat. Doch in der Tat zeigt Steinbrück in seiner ersten Rede nach dem akuten Ausbruch der Turbulenzen, dass er den Ernst der Lage nicht vollständig überblickt. Wahrscheinlich hat er die internationale wechselseitige Verflechtung der Geldhäuser ebenso unterschätzt wie den Dominoeffekt, der bereits beim Crash einer einzelnen Großbank unweigerlich einsetzen würde. Wie Merkel hängt er offenkundig der Illusion oder der Hoffnung an, dass die Krise in erster Linie eine amerikanische Angelegenheit bleiben werde. In Wahrheit erweist sie sich als ein hochgradig ansteckender Virus, der immer massiver in die Blutbahnen des globalen Finanzsystems eindringt und alles in rasender Geschwindigkeit infiziert.
    Dessen ungeachtet macht sich Steinbrück vor dem Deutschen Bundestag erst einmal über die vielstimmigen Warnungen der Ökonomen lustig. Man höre »aus allen Ecken Rufe des Entsetzens, dass wir in einer Rezession stecken«, klagt er mit gespielter Empörung, um dann mit rhetorischer Überspitzung hinzuzufügen: »Diese verbreiteten Sadomaso-Tendenzen sind mir ein absolutes Rätsel.« Es gebe hierzulande, so Steinbrück, »keinen Grund« für »solche Untergangszenarien«.
    Diese unangemessen ironischen und recht verstiegenen Bemerkungen stellen angesichts der bereits eingesetzten Entwicklung und der zahlreichen Warnungen und Analysen der Fachwelt ein ziemliches Fehlurteil des Finanzministers dar – anders kann man diese Mischung aus Beschwichtigung, Belustigung und Besserwisserei wohl nicht nennen. Auch seine Beurteilung der Krisenfolgen für Deutschland liest sich heute eher schräg. Er halte »die möglichen Auswirkungen auf uns auch nach allen Erkundigungen … für begrenzt«, behauptet der Finanzminister. Wirklich dramatisch sei es dagegen in Großbritannien und den USA, fügt er mit Blick auf die Schieflagen der dortigen Banken hinzu. Dort habe die Krise ja schließlich ihren Ursprung. Besonders ungerne dürfte Steinbrück heute wohl auf den Kernsatz seiner Rede zur aktuellen Entwicklung an den Finanzmärkten zurückblicken: »Es gibt keinen Anlass – das sage ich sehr bewusst –, an der

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