Steinbrück - Die Biografie
Stabilität des deutschen Finanzsystems zu zweifeln.«
Nur wenige Stunden nach diesem Auftritt wird Steinbrück brutal von der Wirklichkeit eingeholt. Die Krise hat mit Wucht auch Deutschland erreicht. Die IKB Deutsche Industriebank steht vor dem Zusammenbruch und muss gestützt werden. Bei den meisten Landesbanken schauen die Prüfer ebenfalls in einen Krater offener Verbindlichkeiten. Die Geldmanager aus der deutschen Provinz haben nämlich nicht weniger lustvoll als die Profis an der Wall Street und der London Stock Exchange am großen Schwungrad des Turbokapitalismus mitgedreht. Jetzt stellt sich heraus, dass die Herren allesamt den Überblick verloren und sich für Milliardensummen mit Schrottpapieren eingedeckt haben, deren Konstruktion ihnen bis heute ein Rätsel geblieben ist.
Doch es kommt noch dicker. Als der damalige Staatssekretär Jörg Asmussen am 22. September seinen Finanzminister über die zugespitzte Lage bei der HRE, der Hypo Real Estate, informieren muss, ist endgültig klar, dass Steinbrück sich bei seiner Rede im Bundestag wenige Tage zuvor gründlich geirrt hat: Entgegen den ersten Hoffnungen und Beteuerungen werden Deutschland und der nationale Finanzsektor nämlich ebenfalls mit voller Härte von der Krise erfasst.
Kaum jemand außerhalb der Bankenkreise kannte vorher den Münchner Immobilienfinanzierer HRE. Kaum jemand hätte sich vorstellen können, dass diese mittelgroße Spezialbank bereits »too big to fail« war, also schon zu groß und international zu verwoben, als dass man sie in der krisenhaft zugespitzten Lage einfach hätte pleitegehen lassen können. Allein die HRE brauchte in der Folge knapp 124 Milliarden Euro an staatlichen Garantien sowie 7,7 Milliarden Euro Direkthilfe aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds. Und von der dramatischen Schieflage der Commerzbank, dem zweitgrößten deutschen Geldhaus, war da noch gar nicht die Rede. Im Gegenteil, die Bundesregierung hatte erst kürzlich – am 31. August 2008, also zwei Wochen vor der Lehman-Pleite – der umstrittenen Übernahme der Dresdner Bank zugestimmt. Die Allianz-Versicherung ist bis heute froh, dass sie diese verlustreiche Tochter noch schnell für 9,8 Milliarden Euro an die Commerzbank verscherbeln konnte, bevor der globale Finanzorkan ausbrach.
Steinbrück hielt an diesem gewagten Fusionsplan noch fest, als die Krise ihren Höhepunkt erreichte und die Bilanzkatastrophe der Dresdner Bank offen zutage trat. Der Deal wurde zwar in mehreren Schritten nachverhandelt, blieb aber im Grundsatz bestehen. Die Commerzbank, selbst auf schwachen Füßen, schulterte die Last der Dresdner Bank. Warum? Die Politik war und ist bis heute der Meinung, dass Deutschland als Exportnation mindestens zwei, besser sogar drei international agierende deutsche Großbanken braucht, um die im Ausland tätigen deutschen Unternehmen optimal begleiten zu können. Kein unbedingt falscher Gedanke, doch die Vergrößerung der deutschen Nummer zwei hinter dem Branchenprimus Deutsche Bank war am Ende teuer erkauft: Die Bundesrepublik musste 18,2 Milliarden Euro investieren und sich zu einem über dem Marktkurs liegenden Wert mit 25 Prozent und einer Aktie an der Commerzbank beteiligen. Nur so war sie vor dem Untergang zu retten. Das erste Quartal 2009 des frisch fusionierten Geldhauses schloss mit einem Verlust von 86,1 Milliarden Euro. Ende März 2009 wurde schließlich eine interne Bad Bank gegründet, in die schlechte Wertpapiere von über 55 Milliarden Euro ausgelagert wurden – davon entfielen auf die Commerzbank 15,5 Milliarden und auf die Dresdner knapp 40 Milliarden Euro. Einen tollen nationalen Champion hatte man da gebildet!
Es gab noch weitere Ereignisse in der Krise, die belegen, dass die Kanzlerin und ihr Kassenwart anfangs als Krisenmanager zu kurz gesprungen sind und erst durch äußeren Druck zu einer Änderung ihrer Positionen gezwungen wurden. Einer dieser Punkte betrifft den Bankenrettungsfonds und das ganze daran hängende Instrumentarium. In den USA und in Großbritannien hatten die Verantwortlichen in den Banken und Regierungen mit Verärgerung registriert, dass die Deutschen nach dem Lehman-Zusammenbruch mit dem Finger auf die Angelsachsen zeigten und ihnen die Verantwortung für die Krise zuwiesen. Aus diesem Grund holte sich US-Finanzminister Henry Paulson auch eine Abfuhr bei seinem deutschen Amtskollegen Steinbrück, als er die Europäer anfangs darum bat, sich an der Rettungsaktion der Amerikaner zu beteiligen. Für
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