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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Goffart
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und die Polizei marschierte auf, um Unruhen bereits im Keim zu ersticken.
    Die Bilder mit den Menschenschlangen vor den Bankgebäuden, die am 13. Juli 1931 nach dem Zusammenbruch der »Darmstädter und Nationalbank« entstanden, finden sich heute in jedem Geschichtsbuch. Sie dokumentieren den Moment, als die Weltwirtschaftskrise Deutschland erreichte. Der Absturz des Finanzsystems, der 1929 in den USA begann, erfasste ganz Europa, stürzte Millionen Menschen ins Elend und trug schließlich mit dazu bei, dass Adolf Hitler Anfang 1933 zum Reichskanzler gewählt wurde.
    Auch Angela Merkel und Peer Steinbrück haben diese Bilder im Kopf, als sie am ersten Oktoberwochenende 2008 vertrauliche Berichte darüber erhalten, dass ungewöhnlich viel Bargeld von den Konten in Deutschland abgehoben wurde. Stellenweise soll es einen regelrechten Run auf die Geldautomaten gegeben haben. An einigen Filialen, deren Automaten schnell geleert worden waren, bilden sich sogar kleine Gruppen erregt diskutierender Bürger. Die Geldtransporter fahren Sonderschichten, um die Auszahlmaschinen wieder aufzufüllen. 500-Euro-Scheine sind gefragt wie nie zuvor, ebenso Goldbarren und Goldmünzen. Die Liquidität der Banken sinkt, die Anzeichen für eine Panik verdichten sich. Eine einzige beunruhigende Nachricht hätte in dieser kritischen Situation wohl ausgereicht, um wie 1931 einen landesweiten Sturm auf die Banken auszulösen.
    Am Donnerstag zuvor, dem 2. Oktober 2008, ist ein Interview der Bild -Zeitung mit der Kanzlerin erschienen. Auf die heikelste Frage, ob der Staat notfalls für das Geld der Sparer einstehe, antwortet Merkel ausweichend: »Der Bund will keinen Blankoscheck für alle Banken ausstellen, egal, ob sie sich verantwortlich verhalten haben oder nicht.« Doch als sich die Lage am Freitag und Samstag zuspitzt, immer mehr Menschen ihre Konten leeren und sich bei den Banken Alarmstimmung breitmacht, entschließen sich Merkel und Steinbrück zu einer abrupten Kehrtwende. Mit einem Schlag opfern sie ihre bis dahin wichtigste Position, denn plötzlich soll es doch eine Garantie zugunsten der Sparer und damit der Geldhäuser geben. Hat Merkel zuvor auf dem EU-Gipfel die Iren noch hart für die Staatsgarantie zugunsten ihrer Banken kritisiert und im Bild -Interview ausdrücklich jeden »Blankoscheck« verweigert, so stellt sie ihn drei Tage später höchstpersönlich aus.
    Mit fast versteinerten Gesichtern geben die Kanzlerin und ihr Kassenwart am Sonntag, dem 5. Oktober, um 15 Uhr im Lichthof des Kanzleramts das teuerste Versprechen der deutschen Geschichte ab. Beide wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, ob sie die gigantische Beruhigungspille für die besorgten Deutschen im Ernstfall jemals würden bezahlen können. Die Worte der Kanzlerin klingen dabei weitaus weniger staatstragend, als sie es in ihrer Bedeutung sind: »Die Bundesregierung sagt am heutigen Tag, dass wir nicht zulassen werden, dass die Schieflage eines Finanzinstituts zur Schieflage des ganzen Systems wird.« Es ist einer ihrer typischen Schachtelsätze. Ihr Nachsatz klingt eindeutiger, verschwimmt aber in den vorangegangenen Wörtern: »Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind«, ergänzt Merkel.
    Nicht alle Journalisten haben die Regierungschefin und ihren Finanzminister von Anfang an richtig verstanden – das zeigen Minuten später die recht unterschiedlichen Reaktionen in den Nachrichtenagenturen. Es bedarf der massiven telefonischen »Nachbereitung« durch Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, damit die eigentliche Botschaft des Tages glasklar in die Nachrichtensendungen und in die Überschriften der Zeitungen gelangt: »Die Bundesregierung garantiert die Spareinlagen.«
    Dass diesem Auftritt ein schwerer Streit vorausgegangen war, merkte man weder Merkel noch Steinbrück an. Normalerweise harmonierten die beiden sehr gut miteinander und stimmten sich immer detailliert ab. Doch als Steinbrück erfuhr, dass Merkel die Garantie für die Sparer ohne ihn abgeben wollte, rebellierte er. Der Finanzminister sah sich ebenso in der Verantwortung wie die Kanzlerin – schließlich beaufsichtigte sein Ressort das Bankwesen. Und bei einer so einschneidenden Frage wollte der Sozialdemokrat in ihm der Christdemokratin nicht alleine das Feld überlassen. Kurzerhand drohte er Merkel an, die Garantie nur Minuten später im Finanzministerium noch einmal zu wiederholen. Es sei unmöglich, dass er sich nicht dazu äußere, so Steinbrück. Allerdings bestehe

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