Steinbrück - Die Biografie
Finanzmärkte und Eurorettung weiterhin die dominierenden Themen der politischen Agenda bleiben sollten. Und so begann er, den selbst ernannten Politikpensionär im Unruhestand wieder aktiv in seine Planungen einzubeziehen, ihn heimzuholen. Die Welt befindet sich in einem kaum kalkulierbaren Wandel, und da darf einer wie Steinbrück nicht fehlen. Zumal die schwarz-gelbe Koalition in schweres Fahrwasser geraten ist und Kanzlerin Angela Merkel wegen ihrer Unentschlossenheit bei der Eurokrise zunächst als Zauderin verspottet wurde. Zudem traten immer wieder Unstimmigkeiten mit ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble zutage, während die liberalen Ressortchefs für Wirtschaft und Äußeres bei der alles beherrschenden Eurokrise überhaupt keine Rolle mehr spielten. Gabriel hoffte also, die SPD in dieser Schwächephase der Merkel-Regierung 2010 als erkennbare Alternative positionieren zu können – und das ging nicht ohne Steinbrück.
Um die Jahresmitte 2010 begannen die beiden mit regelmäßigen Treffen, an denen auch Frank-Walter Steinmeier teilnahm. Diese Dreierrunden hatten aus Gabriels Sicht den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass man den frei schwebenden Genossen Peer zumindest etwas stärker einbinden konnte. In der Tat brachte sich Steinbrück seitdem auch bei größeren Strategietreffen oder Klausurtagungen immer wieder ein, auf denen die SPD an ihren Positionen zur Eurokrise feilte. Mitunter eine ziemliche Gratwanderung, denn einerseits gibt es in der SPD einen solidarischen Ansatz, der vor allem von den Gewerkschaften vertreten wird und für Hilfe zugunsten bedrängter Länder wie Griechenland plädiert. Andererseits ist es gerade bei den deutschen Arbeitnehmern nicht sehr populär, für den finanziellen Schlendrian der Griechen und anderer Mittelmeerländer zur Kasse gebeten zu werden. Dennoch spricht sich die SPD unter Mitwirkung von Steinbrück dafür aus, die steigenden Kosten der Staatsfinanzierung im Euroraum mit Eurobonds, also der Vergemeinschaftung der Schuldenrisiken, zu bekämpfen.
Damit verfolgt die SPD einen deutlich anderen Kurs als Merkel, die mit allen Mitteln gegen die Einführung von Eurobonds kämpft. Wie populär allerdings diese recht generöse deutsche Position bei den Bundesbürgern wirklich ist, mag dahingestellt bleiben. Umfragen ergeben jedenfalls bislang, dass die Mehrheit gemeinsame Staatsanleihen für den europäischen Währungsraum ablehnt. Es dürfte also recht schwierig für die SPD werden, wenn sie sich im kommenden Bundestagswahlkampf vor allem dadurch von der Bundesregierung abhebt, dass sie aktiv für Eurobonds oder für unbegrenzte Garantien wirbt.
Den wichtigsten Schritt bei der Inszenierung des Comebacks von Peer Steinbrück aber macht SPD-Chef Gabriel auf dem großen Parteikonvent, der Ende September 2010 in Berlin stattfindet. Auf den Tag genau ein Jahr nach dem Wahldesaster der SPD soll Steinbrück dort die zentrale Rede zur Wirtschafts- und Finanzpolitik halten. Damit fällt ihm nicht nur eine wichtige Aufgabe zu; aus Sicht der Partei und der politischen Beobachter lässt Gabriel gegenüber Steinbrück damit eine geradezu demonstrative Wertschätzung erkennen.
Und der nutzt in der vollbesetzten Halle vor Hunderten Delegierten und Pressevertretern die Gelegenheit, sich nach der Niederlage kraftvoll auf der politischen Bühne zurückzumelden. Eindringlich warnt er die SPD davor, ihr Heil in einer Linksverschiebung zu suchen. Wie schon in seinem Buch beschrieben stellt Steinbrück die Mahnung in den Mittelpunkt, dass jede Wahl in Deutschland nur in der Mitte gewonnen werden könne. Die SPD sei nur mehrheitsfähig, wenn sie sich auch um Mittelständler, Existenzgründer, Facharbeiter und andere Aufstiegswillige kümmere. »Es reicht nicht aus, wenn wir alleine für die Interessen von Rentnern und Hartz-IV-Empfängern kämpfen«, warnt er. Der Beifall ist verhalten, denn solche Sätze sind vor allem bei den Parteilinken wenig beliebt. Auch nicht Zitate von Karl Schiller, dem einstigen Superminister für Wirtschaft und Finanzen unter Willy Brandt. Steinbrück mag Schiller, der ebenso wie er Volkswirtschaft in Kiel studiert hat und dort als Wissenschaftler und später in Bonn als Minister die Grundlagen für eine moderne Wirtschaftspolitik legte. Er zitiert Schiller mit seinem populären, inzwischen in Vergessenheit geratenen Postulat »So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig«. Die wichtigsten, weil für die Zukunft Deutschlands entscheidenden
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