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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Goffart
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war im Herbst 2010 ein Trio geworden. Peer Steinbrück hatte sich zurückgemeldet und würde seinen Platz an der Spitze auch ohne Parteiamt nicht mehr aufgeben, sondern ihn mit Geschick und einer gehörigen Portion Chuzpe und Selbstbewusstsein zu verteidigen wissen.

Kapitel 13
    Der gefährliche Ritterschlag
    E s ist immer aufregend, wenn man als junger Mann beim Chef zu Hause eingeladen wird. Die demonstrative Öffnung des Privaten deutet beim Vorgesetzten grundsätzlich auf wohlwollende Motive hin. Allerdings steckt in der Teilverlagerung einer beruflichen Beziehung in den häuslichen Bereich auch etwas Zwiespältiges. Die Wahl von Gastgeschenk und Garderobe will ebenso gut überlegt sein wie die Antworten auf nicht zufällig gestellte Fragen.
    Bei Peer Steinbrück hat es immerhin 29 Jahre gedauert, bis sich der frühere Hilfsreferent im Kanzleramt dem Staatsmann außer Diensten Helmut Schmidt zum Vieraugengespräch in dessen Privatgemächern nähern durfte. Aus dem von Schmidt kaum wahrgenommenen Mitarbeiter war inzwischen ein veritabler Bundesfinanzminister geworden. Man kannte sich zwar von vielen Gelegenheiten, von Konferenzen und Podiumsdiskussionen, und hatte auch schon ausführlich miteinander gesprochen, als der Jüngere gerade Ministerpräsident in Düsseldorf geworden war.
    Aber erst als Steinbrück im Sommer 2008 den Altkanzler in dessen Ferienhaus am schleswig-holsteinischen Brahmsee besuchte, begann so etwas wie eine väterliche Freundschaft – wenngleich mit sehr speziellen, typisch hanseatischen Zügen. Die beiden pflegen sich beim Wiedersehen nicht plump auf die Schulter zu klopfen, und natürlich verabscheut man auch demonstrativ inbrünstige Männerumarmungen. Selbst das unter Genossen übliche »Du« ist bis zum heutigen Tag ausgeblieben. Vorname und Sie, das ist die feine Hamburger Art, Zuneigung und gegenseitige Wertschätzung nicht in peinliche Distanzlosigkeit abgleiten zu lassen. Außerdem verschwimmt bei diesen Umgangsformen nie die Hierarchie. In der Beziehung zum 92-jährigen Altkanzler ist der 65-jährige Steinbrück noch bereit, in die Rolle des Sohnes zu schlüpfen und dem Senior ein Junior zu sein.
    Die Verehrung für Schmidt geht auf seine Zeit als Mitarbeiter in dessen Kanzleramt zurück. Je mehr Steinbrück selbst in politische Ämter hineinwuchs, desto näher kam er seinem Vorbild. Seine Kritiker sprechen sogar von Teilimitation oder nennen ihn spöttisch den »Mini-Schmidt«. Aber das ficht Steinbrück nicht an. Schmidt stand als Kanzler für vieles, was er heute noch für richtig hält: rationaler Politikstil, vernunftbetonte Entscheidungen, Orientierung am Machbaren, Ablehnung von Ideologen und Verachtung für politische Missionare. Auch die Gewissheit, dass Siege hart erarbeitet werden müssen und immer nur im Konflikt zu erringen sind, hat Steinbrück von Schmidt gelernt. Kühler Kopf, klarer Verstand und immer Mut zum Unpopulären – diese Glaubenssätze des Alten haben den Jungen geprägt. »Sie müssen stehen«, hatte Schmidt dem hanseatischen Genossen einst mit auf den Weg gegeben, als der an Rhein und Ruhr erstmals eine Regierung führen und einen harten Konsolidierungskurs einschlagen musste. Steinbrück hat das beherzigt, manchmal vielleicht zu sehr. Jedenfalls ist seine Distanz zur SPD ähnlich groß wie die von Schmidt und somit vergleichbar wie ihr Hamburger Zungenschlag.
    Sein Leben in der Politik hat Steinbrück mit vielen bekannten Persönlichkeiten zusammengebracht. Wirklich imponiert haben ihm nur wenige und das auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Willy Brandt begeisterte ihn schon als Schüler durch Charisma und Emotion. Bei Johannes Rau konnte er als Büroleiter beobachten, wie wichtig Bauchgefühl in der Politik ist. Auf einer wirklich vergleichbaren persönlichen Wellenlänge liegt er jedoch nur mit Schmidt, weil bei beiden der Weg zum anderen nicht über Herz und Gefühl führt, sondern über den Verstand.
    Aber bei allen Parallelen zwischen Schmidt und Steinbrück ist ein entscheidender Unterschied geblieben. Der Ältere ist als lebendes Denkmal bereits in die Sphäre des verklärten Weltweisen aufgestiegen. Schmidt gilt den Deutschen als Symbol für Führung und Urteilskraft, was selbst dadurch nicht an Wirkung verliert, dass heute nahezu jeder Satz des Exkanzlers unkritisch beklatscht wird.
    Schmidt lässt kaum Leute an sich heran; seine Aura schafft Distanz. Ein Mann wie er kann wählerisch sein bei der Einladung seiner Gesprächspartner. Steinbrück

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