Steinbrück - Die Biografie
das Weltgeschehen kommentieren.
Innerhalb weniger Tagen drehte sich das positive Bild in den Medien wieder. Hieß es zunächst, dass Steinbrück die Kandidatur kaum noch zu nehmen sei, nachdem Schmidt ihn auf den Schild gehoben habe, so wurde kurz darauf gefragt, ob Steinbrück nicht stark genug sei, um selbst auf den Schild zu klettern. Andere wiederum mahnten, dass der Jüngere sich dem Alten unterwerfe. Sie meinten, dass Steinbrück zu einer Figur in der seit Jahrzehnten andauernden Weltbelehrungsshow des Bestsellerautors Schmidt zusammenschrumpfe. Wenn Steinbrück den Altkanzler für seine Kampagne brauche, stelle sich doch die Frage, ob er ohne Schmidt überhaupt stark genug sei für den erhofften Erfolg.
Die Wirkung des »Ritterschlags« lässt sich selbst mit etwas Abstand schwer messen. Vieles spricht für eine geteilte Wahrnehmung. Für die breite Öffentlichkeit strahlt durch die Empfehlung durchaus etwas Glanz von Schmidt auf Steinbrück ab. Wenn der von den Deutschen hochverehrte Altkanzler den jüngeren Freund als kanzlertauglich einstuft, dann hat das in Deutschland Gewicht, mögen die Medien im ewigen Rhythmus des Rauf und Runter auch noch so viele Fragezeichen setzen.
Innerhalb der SPD jedoch dürfte die Aktion Steinbrück eher geschadet haben. Erstens wirkte die Offensive mit der geballten Medienpräsenz auf viele übertrieben, und zweitens mag es die SPD als linke, autoritätsskeptische Partei nicht, wenn man über ihren Kopf hinweg Fakten zu schaffen versucht. Der Ritterschlag war gut inszeniert, aber im Nachhinein betrachtet zugleich recht gefährlich. Wenn der alte König in bester Absicht etwas zu fest mit dem Schwert auf die Schulter seines Knappen schlägt, muss der frisch gekürte Ritter gleich mit gebrochenem Schlüsselbein in die Schlacht ziehen.
Kapitel 14
Geliebte Heulsuse
W enn man wissen will, warum Peer Steinbrück auch nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft immer wieder Probleme mit seiner Partei hat, dann muss man Peter Glotz lesen. Der leider früh verstorbene Vor- und Querdenker der Sozialdemokraten hat einmal eine sehr hellsichtige Analyse über die SPD und die Zusammensetzung ihres Parteikörpers verfasst. Darin findet sich alles wieder, was Steinbrück bei seinen Genossen so sehr auf die Nerven geht (»Die soziale Selbstgerechtigkeit«, DIE ZEIT , 20/ 2003).
Weniger sind einzelne politische Positionen der Quell ständigen Ärgers. Die Haltung zu Sachfragen kann sich im Laufe der Jahre unter wechselnden Bedingungen immer wieder ändern. Nein, das Hauptproblem findet sich eher im menschlichen oder besser gesagt organisationssoziologischen Bereich. Steinbrück hadert mit der Anmutung seiner Partei, mit dem klassischen Typus des mittleren Funktionärs, der in der SPD den Ton angibt und dabei in aller Regel den intellektuellen Fortschritt behindert. Peter Glotz sprach in diesem Zusammenhang über eine »Erfahrungsverdünnung« in den politischen Parteien. Steinbrück selbst veranschaulicht den Kern des Problems mit dem Gegensatzpaar der »Zeitreichen« und der »Zeitarmen«. Bei den »Zeitreichen« handelt es sich um die Aktiven innerhalb einer Partei. Diese Gruppe, die rund 10 bis 15 Prozent der Mitglieder umfasst, prägt nicht nur ganz wesentlich das Innenleben einer Partei, sondern auch die »parteiinterne Aneignung von Wirklichkeit und die Mechanismen der Personalauswahl«, wie Steinbrück in seinem Buch beschreibt ( Unterm Strich , S. 330). Da in ihrem Job stark eingebundene Menschen kaum in der Lage sind, sich in einer Partei zeitintensiv zu engagieren, wird die parteiinterne Meinungsbildung folglich von denjenigen bestimmt, die beruflich weitaus weniger beansprucht werden oder die bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.
Man kann das Phänomen gut bei den abendlichen Sitzungen in den Orts- oder Kreisverbänden beobachten. In diesen Versammlungen dominieren die »Zeitreichen«, oft angeführt von einer regen Riege rüstiger Rentner. Auch die Repräsentanten der mittleren Laufbahnen des öffentlichen Dienstes sind unter den Aktiven der SPD überproportional vertreten. Eine solche soziale Zusammensetzung hat einen entscheidenden Nachteil: Sie schneidet die Partei von jenem Teil der Wirklichkeit ab, in dem die Konfrontation mit den wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Neuerungen am intensivsten ist, nämlich bei den »Zeitarmen«.
Bodo Hombach, politischer Weggefährte von Wolfgang Clement und Gerhard Schröder, hat dieses Dilemma einmal mit deutlichen
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