Steinbrück - Die Biografie
»Kanzlerkandidaten werden nicht von Altkanzlern ausgerufen, sondern von der Partei bestimmt.« Ähnlich äußerten sich auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sowie der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner als Speerspitze der linken Bedenkenträger. Letzterer stellte auch Schmidts These infrage, dass die Wahlen in der Mitte gewonnen würden und dort Steinbrück am meisten bewirken könne. Er halte wenig davon, wenn sich die SPD auf die Wähler der Mitte konzentriere. »Für uns kommt es darauf an, die Stammwähler zu mobilisieren und die Nichtwähler zurückzugewinnen, die von uns gegangen sind«, so Stegner. »Das ist erfolgversprechender, als der CDU Wähler abwerben zu wollen.« Auch Berlins damaliger SPD-Chef Michael Müller stellte leicht mosernd eine »Überinszenierung« durch Schmidt und Steinbrück fest und warnte vor einem »Bumerang«, sollte versucht werden, »an den Gremien der Partei vorbei Fakten zu schaffen«.
Die Vertreter der Linken grollten vor allen Dingen deshalb, weil sie wussten, dass die Kandidatur Steinbrücks mit Schmidts Ritterschlag unverrückbar auf dem Tisch lag und sie nichts mehr dagegen tun konnten. Man mag sich über den Altkanzler zwar ärgern, aber eine Empfehlung von ihm lässt sich weder ignorieren, noch kann man sie einfach beiseitewischen. Allerdings gab es bei den Linken auch positive Stimmen. »Wenn Millionen Menschen am Sonntag zwei SPD-Politikern zuhören, hat das eine große Tiefenwirkung auf die gesamte Wählerschaft«, meinte Karl Lauterbach anerkennend. Der SPD-Gesundheitsexperte gab den Kritikern innerhalb der Partei sogar den Rat, sich »durchaus einmal darüber zu freuen, wenn Sozialdemokraten etwas gut gelingt«. Man müsse, so der Kölner Bundestagsabgeordnete mit den bunten Fliegen, »auch gönnen können«. Erschütternd fand Lauterbach als Gesundheitspolitiker lediglich den öffentlichen Nikotinkonsum des Kettenrauchers Schmidt.
Ebenso vorhersehbar wie die Kritik der Linken kam die Zustimmung des rechten SPD-Flügels. Garrelt Diun, Johannes Kahrs, Nils Schmid und andere Vertreter des Seeheimer Kreises verteidigten Steinbrück. Allerdings betonten auch sie, dass mit der Empfehlung Schmidts noch nichts entschieden sei. Viele Wohlmeinende gaben hinter vorgehaltener Hand zu erkennen, dass sie den frühen Zeitpunkt für die »Krönung« Steinbrücks problematisch fänden. »Wie will er denn jetzt über zwei Jahre den Spannungsbogen halten?«, fragten die Unterstützer. Und was jetzt nach Helmut Schmidts Ritterschlag noch kommen könne? August Bebel sei tot, und ein Buch mit dem Papst, so die Spötter, werde selbst Peer Steinbrück nicht zustande bringen. Schmidt selbst ließ die Kritik kalt. Auf die Frage, ob es nicht klüger gewesen wäre, die Empfehlung für seinen Freund Peer etwas zu verschieben, meinte der 92-Jährige lediglich, er sei so alt, dass er sich vielmehr fragen müsse, ob es klug sei, noch ein weiteres Jahr zu warten.
Besonders schmerzlich wurde im Steinbrück-Lager die pointierte Kritik von Manfred Güllner aufgenommen, Chef des Umfrageinstituts Forsa. »Ich glaube, dass die SPD mit Steinbrück null Chancen hat«, ließ der Meinungsforscher die Öffentlichkeit wissen. Seine Aussage relativierte sich jedoch dadurch, dass Güllner am Ende keinem der drei SPD-Aspiranten zutraute, 2013 gegen eine starke Kanzlerin wie Merkel zu gewinnen. Für Rot-Grün werde es nicht reichen, meinte der Forsa-Chef, selbst wenn Steinbrück »ein bisschen Zuspruch aus dem bürgerlichen Lager erhalten« sollte. Allerdings werde er dort zum Teil gar nicht der SPD zugerechnet. Außerdem habe der Mittelstand Steinbrück die ganzen Verschärfungen im Steuerrecht nicht vergessen. Den Vergleich Steinbrücks mit dem Altkanzler sah Güllner als »völlig verkehrte Parallele«. Neben Schmidt strahle Steinbrück keine eigene Führungskraft aus, sondern begebe sich wieder in die Rolle des Hilfsreferenten.
Diese Betrachtung inspirierte weitere Kritiker. Wenn Angela Merkel »Kohls Mädchen« gewesen sei, dann habe sich Steinbrück jetzt als »Schmidts Junge« präsentiert, hieß es nicht ohne Häme. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zeigte die beiden Weltweisen am Sonntag nach Jauch auf dem Titelbild. Dort wurden sie allerdings nicht als sinnierende oder Schach spielende Weltökonomen abgebildet – man verhöhnte sie vielmehr per Fotomontage als die beiden Alten aus der Muppet Show , die in der Theaterloge sitzen und halb taub und reichlich skurril abwechselnd
Weitere Kostenlose Bücher