Steine der Macht 2 - Die Zeitkorridore im Untersberg
sich bei Weber. Sie sollten in drei Tagen am Brunnen sein. Um nicht irgendwelchen Leuten am Parkplatz aufzufallen, vereinbarten sie das Treffen spätabends um zweiundzwanzig Uhr.
Endlich war es so weit. Als sich Linda zu Hause die Mönchskutte anzog und in die extra für sie angefertigten Ledersandalen schlüpfte, musste Wolf lachen.
Linda hatte rot lackierte Zehennägel! »Das passt aber ganz und gar nicht zu einem Franziskanermönch und auch deine Ohrringe solltest du noch heruntergeben«, meinte Wolf und brachte ihr den Nagellackentferner.
Sie hatte sich ihre Haare kurz schneiden lassen, damit sie nicht sofort als Frau auffallen würde, sollte sie aus irgendeinem Grund ihre Kapuze abnehmen müssen. Wolf hatte zusätzliche Innentaschen in den Kutten anbringen lassen. Dort ließen sich bequem einige brauchbare Utensilien unterbringen.
Ein letzter gegenseitiger Check noch und dann fuhren sie zum alten Gasthof beim Untersberg. Sie stellten den Wagen am Parkplatz hinter dem Haus ab und gingen nach vorne zu den Kastanienbäumen. Durch ihre leichten Ledersandalen hindurch war die Kälte deutlich zu spüren. »Weit haben wir ja nicht zu gehen«, tröstete Wolf seine Begleiterin, »in der Station wird es gleich wärmer werden.«
Kammler und Weber warteten bereits beim Brunnen. »Man könnte Sie beide tatsächlich für Mönche halten, Sie sehen absolut authentisch aus«, stellte der General mit einem Schmunzeln fest.
Sie gingen mit Kammler und Weber auf den Bergwald zu. Dort wurde Linda und Wolf eine schwarze Augenbinde umgebunden und schon nach wenigen Minuten waren die zwei in der Station im Untersberg. Hier wurden ihnen die Tücher wieder abgenommen und Linda staunte, kannte sie doch bisher nur den kleinen Eingang oben an der Felswand.
»Wir müssen nun rasch gehen, es ist zwar nicht sehr weit bis zu dem Korridor, der ins achtzehnte Jahrhundert führt, aber denken Sie an die Zeitverlangsamung hier drinnen!«
Nach einigen Minuten waren sie bei einer alten Eisentüre angelangt. »Wir werden mit Ihnen noch ein Stück nach draußen gehen, nur zur Sicherheit. Der Eingang liegt zwar gut versteckt im Wald. Um kein Risiko einzugehen, werden zwei unserer Leute hier beim Tor den ganzen Tag auf Sie warten. Sie würden die Türe ansonsten bei Ihrer Rückkehr nicht mehr finden. Sehen Sie zu, dass Sie vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück sind, und seien Sie vorsichtig!« Mit diesen Worten öffnete Obersturmbannführer Weber die schwere Eisentüre.
Sie waren tief im Untersbergwald. »Sie haben Glück, wir sind im Sommer bei trockenem Wetter aus dem Gang gekommen und zudem ist es zeitig in der Früh. Genauso gut wäre es möglich gewesen, dass wir mitten in der Nacht und bei strömendem Regen aus dem Korridor herausgetreten wären. Dann hätten wir nur kurz zurück in den Gang gehen müssen und nochmals das Tor durchschreiten. Man kommt jedes Mal zu einer anderen Zeit heraus. Das Jahr bleibt anscheinend dasselbe. Aus diesem Grund lassen wir auch die Soldaten hier draußen auf Sie warten. Man weiß ja nie, vielleicht werden Sie verfolgt.«
Linda und Wolf bedankten und verabschiedeten sich. Jeder der beiden hatte seinen kleinen Sack über die Schulter gelegt und sie gingen durch den Wald, hinunter auf die Ebene. Kein Weg weit und breit, nur sumpfige Wiesen und das große Moor. Ein kleines GPS-Gerät, mit dem man den Eingang zum Zeitkorridor markieren hätte können, wäre praktisch gewesen, aber es würde gar nicht funktionieren, denn im achtzehnten Jahrhundert gab es ja noch keine Satelliten. Sie mussten sich deshalb alles sehr genau einprägen, um den Weg zum Eingang beim Zurückkommen wiederzufinden. Von ferne erblickte Linda ein Bauerngehöft. Als sie näher kamen, sahen die zwei einen Pferdewagen, der soeben mit Feldfrüchten beladen wurde. »Hast du auch ein Handbuch für Mönche im achtzehnten Jahrhundert dabei? Ich hoffe, du weißt zumindest, wie man sich als Mönch benimmt und wie man sich ausdrückt.« Linda konnte ja nicht ahnen, wie das erste Gespräch mit Leuten aus dieser Zeit ablaufen würde, und war etwas nervös. »Keine Bange«, beruhigte sie Wolf, »ich mach das schon! Vergiss nicht, dass ich vor vielen Jahren im Karneval einmal als Mönch verkleidet war. Damals hat mich der Tankwart vor dem Kapuzinerkloster sogar mit ›Hochwürden‹ angeredet.«
Mittlerweile waren sie beim Pferdewagen angelangt. Offensichtlich sollte da Gemüse in die Stadt gebracht werden. »Ich glaube, wir bekommen sogar eine
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