Steine der Macht - Band 5
deftige Jause mit Räucherspeck, Schwarzbrot und einem obligatorischen Stamperl, selbst gebranntem Enzianschnaps vom Bauern. Peter, der Graf vom Palfen, ging später nach draußen und bewunderte den Sternenhimmel, welcher hier in zweitausend Meter Höhe in einer Klarheit zu sehen war, die man unten im Tal nicht kannte. Da die Temperatur aber bereits weit unter den Gefrierpunkt gesunken war und es Peter trotz seiner dicken Jacke kalt wurde, kam er schon nach kurzer Zeit wieder in die Stube zurück und stellte sich vor den großen Ofen, um sich aufzuwärmen.
Wolf erzählte seinen Freunden die Geschichte von der Entstehung der Wolfshütte, die er auch anhand von vielen Fotos festgehalten hatte. Die Hütte stammte ursprünglich noch aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie und war bereits über hundertundzehn Jahre alt. Sie war wie ein großes Blockhaus aus dreißig Zentimeter dicken, runden Baumstämmen erbaut. Eine Jahreszahl von 1893 war auf der Stirnseite eines Holzstammes zu sehen. Sie hatte als Forsthaus in der Steiermark, einer stark bewaldeten Gegend, gestanden. Wolf hatte sie dort fachgerecht abbauen und hier am Berg wieder neu aufstellen lassen. Freilich wurde die Hütte auf ein Betonfundament gestellt und innen dick isoliert. Strom, Wasser und Kanal wurden eingebaut und es entstand ein recht wohnliches Ambiente, wobei aber der urige Charakter der ursprünglichen Hütte zum größten Teil bewahrt werden konnte. Die wirkliche Schwierigkeit beim Aufbau bestand eigentlich darin, dass hier am Berg mindestens acht Monate lang Schnee lag und für eine Bauzeit nur die restlichen vier Sommermonate von Juni bis September zur Verfügung standen. Das erforderte eine genaue Einteilung der Arbeiten und der dafür benötigten Handwerker. Aber es ging sich gerade aus. Am 29. September vor dreiundzwanzig Jahren konnte die Wolfshütte bezogen werden. Wolf erklärte seinen Freunden anhand der Bilder die einzelnen Bauphasen, wobei es sogar einmal im August einen Wettersturz mit reichlich Schneefall gegeben hatte.
Er musste kurz unterbrechen, um einige Holzscheite nachzulegen.
Der große Ofen war so gebaut, dass man sogar meterlange Holzstücke verheizen konnte. Während Wolf die Ofentür öffnete, fiel ihm wieder die Geschichte mit dem Luftschieber ein und er überlegte, ob er die Spukgeschichten ebenfalls erzählen sollte. Aber er wollte seine Gäste nicht verunsichern, er wusste ja nicht, wie seine Freunde es aufnehmen würden. Einzig und allein Linda kannte dieses Phänomen bereits. Sie selbst war auch schon einmal dabei gewesen, als man die Geräusche der sich öffnenden Hüttentür hören konnte, und auch die schweren Schritte im Windfang hatte sie damals vernommen.
Als Wolf mit seinen Erzählungen vom Entstehen der Hütte fertig war, begannen die Frauen, das Abendbrot vorzubereiten. Claudia schälte die mitgebrachten Kartoffeln, während Linda und Elisabeth Zwiebeln und Speck zerkleinerten, woraus sie in einer großen Pfanne eine Art Tiroler Gröstel machen wollten. Das Braten auf dem riesigen Herd war für alle eine neue Erfahrung und der Duft des Kartoffelgröstels erfüllte schon bald die Stube.
„Wir brauchen mehr Hitze!“, stellte Peter fest. „Ich werde den Herd jetzt auf Stufe fünf schalten“, lachte er und schob noch zwei Holzscheite ins Feuer.
„Dazu musst du aber auch den Zugschieber vom Kamin etwas öffnen“, erwiderte Wolf und deutete auf einen Eisengriff hinten am gemauerten Aufsatz des Ofens. „Zieh den Griff fünf Zentimeter heraus, das dürfte genug sein“, ergänzte er noch. „Und vergiss nicht, auch den Luftschieber an der Ofentür zu öffnen, sonst funktioniert das nicht richtig!“
Peter, der ja von Beruf Architekt war, nickte nur und regelte die Luftzufuhr am Herd.
Wolf füllte drei Tonkrüge mit Bier, worauf er mit Herbert und Peter anstieß.
„Auf einen gelungenen Abend in der Wolfshütte, ich hoffe, es gefällt euch hier oben. Übrigens, wir sind hier fast zweihundert Meter höher als der Gipfel des Untersberges. Also schon Hochgebirge sozusagen.“
Das von den Damen zubereitete Essen schmeckte vorzüglich, und nachdem das Geschirr abgewaschen war, setzten sich alle am Ecktisch zusammen. Wolf überlegte einige Male, ob er das Gespräch nicht doch auf den Hüttengeist lenken sollte, aber da auch Linda keine Anstalten machte, davon zu erzählen, ließ er es letztendlich doch bleiben. Er wollte die Freunde ja nicht verunsichern, vor allem nicht Claudia, die ja
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