Steine der Macht - Band 5
zwischen Deutschland und Österreich, gab es ein chinesisches Restaurant, welches einen kleinen Gastgarten unmittelbar am Fluss besaß. Es war wolkenloser Himmel und recht warm. Becker wartete am Ende der Brücke. Wolf parkte seinen Wagen vor dem Restaurant und sie nahmen im Gastgarten Platz. Die Kastanienbäume an der Uferpromenade boten ausreichend Schatten. Die beiden bestellten sich jeder eine Apfelschorle. Becker begann: „Sie haben doch bei den Rosenkreuzern sicher schon davon gehört, dass jeder Gegenstand die Schwingungen seiner Umgebung aufnimmt und auch speichert. Je fester und kristalliner diese Gegenstände sind, desto besser ist deren Speicherwirkung. Durch die Bronzefigur vom Berghof könnten Ihnen sicherlich einige Informationen übermittelt werden. Gehen Sie diesen nach und Sie werden Erstaunliches dabei herausfinden.“
Der Fluss Salzach zog ruhig unter den beiden dahin und durch die Nähe des Wassers war eine angenehme Kühle zu spüren, als Becker plötzlich meinte: „Wir sind hier übrigens an einem sehr geschichtsträchtigen Ort mit einer starken Kraft.“ Wolf dachte natürlich sofort an die Uraufführung des Liedes „Stille Nacht“ und sagte: „Ja, ich weiß.“ Doch der Illuminat, der ja immer schon im Voraus wusste, was Wolf dachte, erwiderte bloß: „Nein, hier ist noch etwas anderes. Kommen Sie, ich werde es Ihnen zeigen.“ Er führte Wolf auf die Straße hinaus, von wo man, von der Länderbrücke kommend, direkt auf die Pfarrkirche von Oberndorf sehen konnte. „Sie müssen in die Mitte der Straße gehen, immer weiter auf die etwa zweihundert Meter entfernte Kirche zu, deren Eingangsportal genau in Verlängerung der Straßenmitte lag.“
Es war um diese Zeit kaum Verkehr und so konnten sie gefahrlos auf der Fahrbahn gehen. „Und jetzt blicken Sie nach oben.“
Genau über ihnen, am Giebel der Kirche, war ein großes Kreuz zu sehen und dahinter ragte das graue Schieferdach des Kirchenschiffes wie eine Pyramide empor. Je näher sie zur Kirche kamen, desto höher erhob sich das Kreuz über das dahinter liegende, pyramidenförmige Dach, bis schließlich das Kreuz genau über der Spitze der Pyramide zu sehen war.
Das konnte man nur von einem Punkt aus sehen, und zwar genau am unbeschrankten Bahnübergang, welcher sich knappe einhundert Meter vor der Kirche befand.
„Dieser Punkt hier hat für Sie übrigens eine symbolträchtige Bedeutung“, meinte Becker zu Wolf gewandt. „Hier entschied sich vor vielen Jahren Ihr Schicksal.“
Wolf wurde auf einmal klar, was Becker damit meinte. Ja, er erinnerte sich. Vor über fünfundzwanzig Jahren wäre ihm dieser Bahnübergang beinahe zum Verhängnis geworden. Er hatte mit seinem Wagen aus Unachtsamkeit direkt einen fahrenden Zug der Lokalbahn gerammt, wobei von der Lokomotive die Scheinwerfer und der Kühler seines Wagens herausgerissen wurden. Ihm war gottlob nichts passiert.
Der Lokführer, welcher den ohnehin im Ortsgebiet langsam fahrenden Zug nach einer Notbremsung verließ und zu Wolf gelaufen kam, meinte damals nur: „Sie haben ein Riesenglück gehabt, vor zwei Jahren ist hier genau dasselbe geschehen, aber damals hat meine Lok den Wagen zwanzig Zentimeter weiter hinten, am Reifen, erwischt und ihn daher mitgeschleift. Zwischen der Lokomotive und dem Mast für die Oberleitung wurde das Fahrzeug dann regelrecht zerquetscht. Der Fahrer hatte keine Überlebenschance. Sie haben wirklich Glück gehabt, feiern Sie Geburtstag!“
Das Seltsame an dieser Sache war, dass ihm der alte Schaffner der Untersberg-Seilbahn, bei welchem Wolf damals Astrologie-Unterricht nahm, schon einen Monat vorher gesagt hatte, dass er zu diesem Zeitpunkt in Lebensgefahr kommen würde. Der alte Astrologe wollte Wolf damit zeigen, wie man Prognosen mithilfe eines Horoskops erstellen konnte, und hatte dabei einige Tage vorausgesagt, an denen ihm etwas zustoßen und er in große Gefahr kommen würde.
Wolf nahm sich diese Prognose so sehr zu Herzen, dass er an den besagten Tagen nicht einmal mehr die Kellerstiege in seinem Haus hinunterging und sogar das Autofahren unterließ. Der letzte dieser Tage, an dem das Ereignis geschehen sollte, war ein Montag und da musste Wolf mit seinem Wagen ja frühmorgens in seine Firma fahren. Immer noch an die Aussage des Astrologen denkend, war er diesmal übervorsichtig und hielt bei dem unbeschrankten Bahnübergang der Lokalbahn vorschriftsmäßig an. Er sah nach links, dann nach rechts und blickte dabei einige Sekunden
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