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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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Gleichmut ausgerüstet waren und sich nicht einmal
fragten, woher Landau da plötzlich den Kommissar hervorgezaubert hatte.
     
    Apropos - gibt es das eigentlich: unsichtbare Räume?
    Nun, die gibt es. Allerdings muß man sagen, daß Hans Tobik
ein besonders raffiniertes Modell geschaffen hatte. Eine gelungene Hobbyarbeit,
deren tieferen Sinn wohl ein Psychologe hätte erklären müssen. Denn es war ja
kaum davon auszugehen, daß Tobik hatte voraussehen können, sich dieses Raums
einst bedienen zu müssen, um sich vor einem Kommissar zu verstecken. Nein,
dieser Raum war ein Symbol wie so vieles: Bahnhöfe, Bäume, Baumaschinen. Im
Symbol verdichtete sich die Welt zur göttlichen Geste. Mal war es ein lieber,
mal ein böser Gott, womit sich die Frage stellte: Welcher Gott veranlaßt
Menschen dazu, unsichtbare Räume zu schaffen?
    Aber wie gesagt, die Psychologie mußte sich hintanstellen,
die Kriminalistik war an der Reihe. Beziehungsweise eine Polizei, die wieder
mal in Gefahr geriet, zu spät zu kommen. Der Pünktlichkeit, mit der die
Exekutive angemeldete und manchmal sogar unangemeldete Demonstrationen
blockierte, stand die Verzögerung gegenüber, mit der man Kapitalverbrechen
verfolgte. Nicht zu sprechen von der Verzögerung, mit der man Leute festnahm,
die einen Staat ins Unglück stürzten.
    Als Rosenblüt wieder in der Lage war, zu reden, ließ er
sich sofort mit Doktor Thiel verbinden. Er sagte: "Wir haben den Mann. Er
heißt Hans Tobik."
    "Und wo finden wir ihn?" wollte Thiel wissen.
    Rosenblüt legte die Vermutung dar, daß Tobik nun, wo er
enttarnt war, nun, wo man sein Gesicht, sein Umfeld kannte, sich zu einem
raschen Handeln entschließen würde. Er sagte: "Ich glaube nicht, daß er
untertaucht, um irgendwann später zuzuschlagen. Das, was er vorhat, wird er jetzt tun, sehr
bald. Und glauben Sie mir bitte, lieber Doktor, dieser Mann hat weder etwas zu
verlieren, noch können wir uns darauf verlassen, daß er danebenschießt, wenn er
nicht danebenschießen möchte. Ich fürchte, die Phase gewollter
Verfehlungen ist beendet für ihn."
    Thiel glaubte Rosenblüt. Das Prozedere nahm seinen Lauf.
Während sofort der Schutz der gefährdeten Personen, vor allem der des
S-21-Projektsprechers verstärkt wurde, stellte man Tobiks Wohnung auf den Kopf.
Doch auch auf dem Kopf stehend gab die Wohnung nicht viel her. Keine Waffen,
keine Dokumente, keine Adressen, schon gar keine Tagebücher oder
Konstruktionspläne. Auch kein Computer. Nur der Beweis für Tobiks massive
Stuttgartliebe in Form von Skizzen und Karten sowie Fotografien, die ein
früheres Lebensglück dokumentierten.
    Immerhin stellte man rasch fest, auf welche Weise dieses
Lebensglück zerstört worden war. Obgleich nun die behördlichen Unterlagen vor
allem den Suizid von Tobiks Frau und die Schuldlosigkeit des hochangesehenen
Unfallfahrers belegten, konnte sich Rosenblüt gut vorstellen, wie die Sache
abgelaufen war, weil sie in solchen Fällen immer auf die gleiche Weise ablief.
Somit besaß er auch eine Vorstellung davon, was Tobik antrieb: eine Wut, die
darin wurzeln mochte, in der begonnenen Tötung des Bahnhofs wiederhole sich die
erfolgte Tötung seiner Frau. Und genau darum sah sich Tobik wohl veranlaßt,
diesem neuen Verbrechen strafend entgegenzuwirken. Nicht als Terrorist, nicht
als Fanatiker, nicht als Märtyrer. Hier war einer, der seine Frau rächte. - Ein
merkwürdiges Gefühl bedrängte Rosenblüt. Das Gefühl, daß es gut war, daß Tobik
ihm entkommen war.
    "Scheiße nochmal, du bist doch Polizist",
ermahnte sich Rosenblüt, wie man sich dazu ermahnt, etwas einmal Bestelltes zu
konsumieren, auch wenn es ganz merkwürdig riecht.
    Übrigens sollte noch erwähnt werden, daß Rosenblüt sich
bei seinem Zusammenstoß mit der Spiegelkante eine Platzwunde seitlich auf der
Stirn zugezogen hatte, die von Tobik in der allerkorrektesten Weise verarztet
worden war. Ja, der wirkliche Arzt, der alsbald erschien, um sich die Wunde
anzusehen, sprach voller Bewunderung über die vorgenommene Erstversorgung,
dachte freilich, Landau sei dafür verantwortlich, denn er fragte sie: "Waren
Sie mal Krankenschwester?"
    "Nein, der Täter war Krankenschwester", gab sie
zurück und verließ den Raum.
     
    Räder und Seile
     
    Did you find a
directing sign
    On the straight and narrow highway?
    Would you mind a reflecting sign
    Just let it shine within your mind
    And show you the colours that are real.
    Blood, Sweat & Tears,
Spinning Wheel
     
    Spinning Wheel.

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