Steinfest, Heinrich

ihm gesagt, daß er
seine Chance vertan habe. Ja, nicht nur Mach hatte seine Chance vertan, auch
die Maschine. Der Entschluß war gefaßt. Es hatte keinen Sinn, weiter darauf zu
vertrauen, daß irgend jemand diese verdammte Apparatur quasi dazu würde
überreden können, gefälligst den Hintern zu bewegen und sich an anderer, günstigerer
Stelle neu zu plazieren. Nein, man würde dieses Gerät in die Luft jagen müssen,
indem man eine noch massivere Betonverkleidung um das Gerät schloß und sodann
eine mehrphasige, kontrollierte Sprengung vornahm. Es war ohnehin das beste,
wenn dieses Ding für immer verschwand, kein Beweis für seine einstige Existenz
zurückblieb. War diese Maschine einmal in Tausende Teile zerfallen, so würde
auch die darunterliegende Erde wieder in einen "normalen" Zustand
übergehen, sich so verhalten, wie Erde sich zu verhalten hat, naturgesetzmäßig,
sich einer Baugrube nicht heftiger in den Weg stellend, als dies ohnehin der
Fall war. Erde als Erde.
    Der Gedanke, dieser von Mach so apostrophierte
Schloßgarten-Mechanismus sei unsprengbar, durfte gar nicht erst gedacht werden.
Diese Maschine war ein Produkt der Technik - und als ein solches durch ein
anderes Produkt der Technik eliminierbar.
    Davon waren alle überzeugt, die in diese Sache involviert
waren, bis auf einen. Der einzige, der sich wehrte beziehungsweise der versuchte
sich zu wehren, war natürlich Mach. Und zwar nicht mal so sehr gegen die
Kündigung seines Jobs, sondern dagegen, dieser Maschine etwas "antun zu
wollen". Er hatte angefangen, wirr herumzufaseln von wegen, daß es sich
vermutlich gar nicht um eine Rechenmaschine, sondern um eine Art von Roboter
handeln würde. Um eine schlafende Kriegerin. Eine urzeitliche Intelligenz im
Bronzemantel, eine versteinerte vormenschliche Madonna mit Schwert und Lanze
und einem Kind im Leib, einem maschinenhaften Embryo ... meine Güte, Mach hatte
offenkundig seinen Verstand verloren! Wohl angesichts seiner Unfähigkeit, den
Auftrag zu erfüllen, des Objekts Herr zu werden, den gesamten Text zu
entziffern und das Rätsel um die Gravitation zu lösen. Und jetzt machte er ein
Theater, als würde mit der Zerstörung dieser Maschine der Ursprung allen Lebens
gefährdet sein. Völlig irre!
    Eigentlich hätte Mach von der geplanten Sprengung gar
nicht erfahren sollen. Das ging ihn eigentlich nichts mehr an. Dennoch war es
unverzichtbar gewesen, diesem kakanischen Archäologiepenner mit seiner
Hühnerbrust und seinem trüben Blick und den dünnen Haaren und dünnen Armen und
der widerwärtig bleichen Haut, diesem Österreicher - ja, ihm
das reinzudrücken. Denn dieser Mach, dieses Männchen, hatte, es war kaum zu
glauben, Kingsley flachgelegt. Und er, Palatin, hatte das mitanhören müssen,
bloß weil Kingsleys Wohnung verwanzt war, wie dies bei den meisten Mitarbeitern
der Fall war. Nur zur Sicherheit, damit alles unter Kontrolle blieb. Und dann
hatte einer von der Überwachung angerufen und gesagt: "Wow! Hör dir das
mal an, Felix." Und er war so dumm gewesen, das auch zu tun. Sich anzuhören,
was Mach und Kingsley da miteinander trieben. Sogar noch erfolgreich.
    Er hatte sich schon immer für Kingsley interessiert
gehabt. Nicht zuletzt darum, weil alle in der Mannschaft überzeugt gewesen
waren, diese Frau sei nicht zu erobern. Wie man so sagt: ein Fels. Und dann
kommt dieser Mach, dieses magere Menschlein und ... nun, das magere Menschlein
durfte ja jetzt wieder nach Hause fahren, zurück in die Kasseler Provinz. Wobei
man nicht vergessen hatte, ihm eindringlich klarzumachen, was mit ihm
geschehen würde, sollte auch nur ein einziges Wort an die Öffentlichkeit
dringen. Hier stand so viel auf dem Spiel, hier war schon so viel Geld gelaufen
und sollte weiterhin laufen, daß man es sich nicht leisten konnte, das Projekt
zu Grabe zu stornieren. Und da brauchte es nun wirklich nicht die Nachricht
von einem Artefakt, das im Verdacht stand, viel älter zu sein als angenommen,
ein Roboter, ein heiliger Roboter, und dann auch noch ... schwanger!
    Hoffentlich hat er das verstanden, dachte sich Palatin,
während er da mit Brummschädel unter der Decke lag und in eine dampfende
Dunkelheit starrte. Und überlegte: Wenn nicht, werd' ich mich persönlich darum
kümmern und ihm den Hals umdrehen.
     
    Nicht, daß Palatin je einen Menschen umgebracht hatte. So
weit hatte er noch nie gehen müssen, dies war noch nie verlangt worden. Allerdings
erschien ihm dieser Umstand wie ein Manko. Nicht, weil er sich