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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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nicht stimmte.
Auch ohne ein Räuspern vernommen zu haben. Nein, das, was sie zunächst unbewußt
irritierte und was sich rasch zu einem konkreten Gedanken verfestigte, war die
Erkenntnis, daß hier ein Farbfehler bestand. An zwei Stellen der Tapete paßte
das Grün nicht. Während nämlich das Braun und das Gelb in dieser gestreiften
Anordnung - eben im Einklang mit dem Wesen eines sich wiederholenden Musters -
immer gleich blieben, war das Grün, jenes Alt- oder Jägergrün, wie man es von
Lodenmänteln und Lodenhüten kannte, zweimal und im Abstand von ungefähr drei
Metern sehr viel heller, geradezu transparent, in einer Weise, die an die
Kanten geschliffener Glastische erinnerte.
    Vorsichtig näherte sich Landau dem linken dieser beiden
aus dem Farbsystem ausbrechenden dünnen Linien. Der Vorsicht ihres Schritts war
es zu verdanken, daß sie einen Moment bevor sie mit dieser Linie, mit diesem
Streifen zusammengestoßen wäre, begriff, es gar nicht mit dem erwarteten
Tapetenpapier zu tun zu haben. Sie hob den Arm und fuhr mit dem Finger über die
glatte, kalte Fläche eines Materials, bei dem es sich tatsächlich um
geschliffenes Glas handelte. Und zwar um die Kante eines Spiegels.
    Teska Landau ging ein Licht auf. Sie sah derartiges zum
ersten Mal. Nun, sehen ist das falsche Wort, sie sah es
ja nicht, denn es handelte sich um einen unsichtbaren Raum. -
Derartiges existierte, war bloß eine Frage geschickter Anordnung. Und zwar der
Anordnung von vier, nach der Art eines doppelten Periskops zusammengestellten
Planspiegeln, mittels derer die Lichtstrahlen im Zickzackverfahren um ein Objekt
herum geleitet wurden. Daraus ergaben sich zwei unsichtbare Zonen. Ein
Betrachter nahm somit allein das Bild des Hintergrunds wahr, in diesem Fall die
Tapete und die Regale, wofür er freilich seinerseits eine bestimmte Position
zu beziehen hatte. Was wiederum der Schöpfer dieses Raums dadurch bewirkte, daß
er die Gegenstände der vorderen, sichtbaren Hälfte des Raums so plaziert hatte,
daß jede hereinkommende Person gezwungen war, sich im richtigen Winkel zum
System zu bewegen. Nur die Kanten von zwei der vier Spiegel drangen aus der
Unsichtbarkeit hervor und verrieten die Illusion. - In diese Unsichtbarkeit
trat Landau jetzt hinein, was sie für die beiden Polizisten, wären sie noch im
Zimmer gewesen, ebenfalls unsichtbar gemacht hätte.
    Dann sah sie Rosenblüt. Er lag zusammengekrümmt am Boden,
bewegungslos, offensichtlich bewußtlos, Hände und Füße gefesselt, die Augen
geschlossen, darunter der mit einem breiten Klebeband isolierte Mund. Sie
entfernte das Band, überprüfte rasch Puls und Atmung, packte die Schultern und
hievte den in seiner Willenlosigkeit schweren Körper aus dem "Jenseits"
ins "Diesseits". Gleichzeitig rief sie nach den beiden Kollegen, die
drüben im Wohnzimmer standen und über den Wert und Unwert der CD-Sammlung des
Wohnungsinhabers diskutierten.
    "Ist er tot?" fragte der eine Polizist, während
der andere Rosenblüt von seinen Fesseln befreite und in eine stabile Seitenlage
verfrachtete.
    "Das hätten Sie wohl gerne, oder?" schnauzte
Landau den Uniformierten an. Was ziemlich ungerecht war, aber zeigte, wie sehr
Landau an Rosenblüt hing. Für einen Moment war sie in allergrößter Panik
gewesen, er könnte tatsächlich tot sein, erstickt vielleicht, einem Herzinfarkt
erlegen. Welche Erleichterung, als sie das Maschinengeräusch seines Herzmuskels
vernommen hatte, was für ein Glück! Und zwar keineswegs, weil sie etwas von
diesem Mann wollte. Sie hatte überhaupt nicht im Sinn, ihn zu küssen oder
Schlimmeres, ja, sie war nachgerade froh, nicht gezwungen gewesen zu sein, im
Zuge einer Wiederbelebung ihre Lippen an die seinen zu legen. Sie gehörte
nämlich zu jenen Menschen, die die Schönheit eines Körpers, eines Gesichts nur
aus der Distanz erleben und genießen. Platonische Charaktere, für die mit
jeglicher Berührung die Schönheit zerfiel, ganz in der Art dieser
transsilvanischen Blutsauger, die ins tödliche Tageslicht geraten.
    Ein wenig Berührung war freilich nicht zu vermeiden.
Sprich, Teska Landau ließ sich ein nasses Handtuch bringen, das sie fürsorglich
über Rosenblüts obere Gesichtshälfte breitete und auf diese Weise, die man
vielleicht als eine "kosmetische" hätte bezeichnen müssen, Rosenblüt
aus seiner Bewußtlosigkeit holte. Man konnte meinen, sich in einem
Wellnesshotel zu befinden, wären da nicht die beiden Polizisten gestanden, die
mit einer gewissen einfachen

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