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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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und kein Regisseur, zudem um einiges jünger und um einiges dunkler
als David Lynch, ferner fehlte ihm die hochstehende, etwas idiotisch anmutende
Haarwelle des Filmemachers. Allerdings trug er sein weißes Hemd in derselben
Weise wie sein Namensvorbild, den obersten Knopf geschlossen, aber
krawattenlos, woraus sich ein puppenhafter Eindruck ergab.
    "Sind Sie Lynch?" fragte Rosenblüt den Mann, der
vor dem kleinen Laden stand und in einer damenhaften Weise seine Zigarette in
die Luft hielt. Wobei der Filter nach außen und die Glut nach innen standen,
so, als würde er einer unsichtbaren kleinen Person die Zigarette in den Mund
halten. Oder bloß die Luft mitrauchen lassen. - Die Raucher wurden immer
komischer, was nicht verwundern darf. Alle verfolgten Gruppen werden komisch,
egal ob Ethnien oder Berufsgruppen oder eben Anhänger ehemals gelittener
Rituale.
    "Ob Sie Lynch sind, habe ich gefragt", erinnerte
Rosenblüt.
    Doch Lynch antwortete mit einer Gegenfrage: "Ist das Ihr Hund?"
    "Wollen Sie ihn kaufen?"
    "Wieviel verlangen Sie?"
    "War nicht ernst gemeint", sagte Rosenblüt.
    "Dann sollten Sie nicht fragen. So was kann in die
Hose gehen. Das ist wie mit den Leuten, die einen Killer anheuern und es sich
dann anders überlegen."
    "Kann man Sie denn anheuern?"
    "Wer will das wissen?"
    "Ich bin Kommissar Rosenblüt", verkündete
Rosenblüt.
    "Dann brauchen Sie ja keinen Killer, oder?"
Lynch redete beinahe völlig akzentfrei, da war nichts Bayrisches, keine Kanak
Sprak, keine Mischsprache. Da war nur ein kleiner exotischer Klang, der jedem
seiner Wörter einen kurzen Stoß verlieh. Wie beim Brustschwimmen, wenn die
Beine nach hinten schnellen.
    Rosenblüt sagte: "You will see me one more time, if
you do good. You will see me two more times, if
you do bad."
    Lynch schmunzelte. Dann drehte er den Zigarettenfilter zu
sich her und nahm einen Zug. Er erkundigte sich: "Ist das eine Warnung?"
    Rosenblüt nickte.
    "Denken Sie, Sie könnten mir Schwierigkeiten machen?
Irrtum, das können Sie nicht. Ich habe schon alle geschmiert, die ich schmieren
muß. Sie muß ich nicht schmieren."
    Rosenblüt meinte: "Lassen Sie uns hineingehen."
    "Wozu?"
    "Ich will einkaufen."
    "Und wenn ich nichts verkaufen will?"
    Doch Rosenblüt wies mit dem Finger auf das Innere des
Ladenlokals, in das er sich nun begab. In der Tat war der ganze Raum mit
Ramsch vollgestopft: Computerteilen, Textilien, Rekordern, DVDs, Aquarien mit
echten Fischen.
    "Unter welche Kategorie fällt dieses Geschäft
eigentlich?" fragte Rosenblüt den hinter ihm stehenden Lynch.
    "Gebrauchtwaren."
    "Sind das denn gebrauchte Fische?"
    "Die sind nur als Schmuck gedacht", erklärte
Lynch und dämpfte seine Zigarette in einem der vielen Aschenbecher ab, die im
Raum verteilt standen. Bojen im Sturm. Er fragte: "Wollen Sie meine Dekoration
kaufen?"
    "Dafür ist mein Budget zu bescheiden."
    "Gut, daß Sie das einsehen, Kommissar. - Was
kommissionieren Sie eigentlich?"
    "Mordfälle."
    "O lala! Wenn ich einen toten Fisch finde, rufe ich
Sie an."
    "Ist mir bekannt, daß Sie gut im Telefonieren sind.
Diese fünf Jungs - Sie wissen, wovon ich rede -, also wenn ich will, stöbere
ich die Burschen auf. Und wenn ich die Kerlchen dann gefunden habe und denen ein
wenig drohe, was machen die wohl? Sie schicken mich zu Ihnen. Also bin ich
gleich hierhergekommen."
    "Muß ich wissen, wovon Sie reden?"
    "Wäre gut."
    "Wieso? Weil Sie mich sonst zusammenschlagen?"
    "Na, wenn Sie mich so fragen: Lieber würde ich Ihnen
eine Kugel durch den Kopf jagen. Ich kann dann besser von Notwehr sprechen."
    "Wenn ich tot bin, erfahren Sie rein gar nichts."
    "Ich fühl mich dann aber vielleicht besser. Mitunter
genügt das für den Tag."
    "Sind Sie wirklich so hart, wie Sie tun?"
    "Och, eher würde ich sagen, ich stehe unter
Erfolgsdruck. Das macht mich launisch. - Wissen Sie, jemand hat über Sie
gesagt, Sie seien unberechenbar. Das bin ich ebenfalls. Ich weiß selbst nicht,
wozu ich alles imstande bin, wenn ich mich in die Ecke gedrängt fühle. - Also,
guter Mann, können wir miteinander reden oder nicht?"
    "Wie sind Sie auf mich gekommen?"
    "Das Lynch-Zitat aus Mulholland
Drive."
    "Ja, Scheiße, es war einfach zu verführerisch.
Außerdem hätte ich nicht gedacht, daß mich so was verrät. Die Polizei ist auch
nicht mehr das, was sie einmal war."
    "Die Bildung schlägt überall zu", bestätigte
Rosenblüt. "Das kann man am besten an Ihnen selbst sehen."
    "Danke", sagte Lynch.
    "Kein Grund, mich zu küssen.

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