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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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massiven Hintern, wirkte er perfekt. Niemand konnte so gut sitzen wie
er. Eigentlich war es ein ästhetisches Verbrechen, diesen Hund zur Bewegung zu
zwingen.
    Aber Verbrechen geschehen.
     
    "Ich fahre morgen nach Stuttgart", sprach
Rosenblüt in den Hörer hinein.
    "Ach was?" erwiderte Aneko. "Du nimmst
hoffentlich deinen Köter mit!"
    Nun, es war schon einigermaßen verführerisch, sich
vorzustellen, den Hund Kepler der Frau Kepler zu
überlassen. Darin lag ein großer Reiz, in solcher Zweieiigkeit und
Zweieinigkeit von Namen und Begriffen. Wenn, zum Beispiel, eine Frau Rose eine
Rose in der Hand hielt oder ein Herr Winter erklärte, heute habe der Winter
begonnen, oder ein Mädchen namens Mercedes einen Mercedes fuhr. Oder eben eine
Frau Kepler panisch bemüht war, einen Hund gleichen Namens daran zu hindern, in
der Wohnung Haare zu verteilen. Rosenblüt lächelte bei diesem Gedanken. Aber
er sagte: "Natürlich nehm' ich ihn mit. Er soll doch sehen, woher ich
stamme."
    "Zu der Ehre bin ich noch nicht gekommen",
bemerkte Aneko.
    "Sei froh."
    "Warum bist du eigentlich so gegen diese Stadt? Du
haßt sie ja richtig."
    "Ich liebe sie", antwortete Rosenblüt. "Und
mich? Liebst du mich auch?" ,Anders. Besser. Ohne Bitterkeit."
    "Schön", meinte Aneko, wünschte eine gute Nacht
und legte auf.
    Rosenblüt ging auf die Terrasse und sah hinüber auf den
Park, der im letzten Rot lag. - Wenn Rot stirbt, entsteht ein Schwarz von der
Art eines Witwenschleiers. Man ahnt ein Gesicht, dessen trauernder Ausdruck
jedoch eine bloße Vermutung darstellt. Wer weiß, ob es nicht lacht, das
Gesicht.
    In den Witwenschleier hinein murmelte Rosenblüt: "Wenn
das nur gutgeht."
     
    Die eine Maschine
     
    "Geht es denn nicht etwas präziser?" fragte Wolf
Mach.
    "Nein, nicht am Telefon", antwortete der Mann,
der Mach in dessen Büro in der Kasseler Orangerie erreicht hatte. "Glauben
Sie mir, es lohnt sich. Wir würden uns sonst kaum die Mühe machen, Sie aus dem
Schlaf zu holen."
    Das war dreist, denn es war vier Uhr am Nachmittag. Doch
Mach ignorierte den rauhen Charme dieser Bemerkung und erkundigte sich: "Wann
soll ich kommen?"
    "So rasch als möglich. Sie sind nicht der einzige auf
unserer Liste."
    "Was für eine Liste?"
    "Die Liste derer, die in Frage kommen."
    Mach seufzte. Offensichtlich war er gezwungen, nach
Stuttgart zu reisen, wollte er erfahren, worum es sich handelte. Der Anrufer,
der irgendeine Funktion in irgendeinem städtischen Planungsbüro innehatte,
beharrte darauf, ominös und kryptisch zu bleiben.
     
    Wolf Mach betreute als leitender Wissenschaftler die
Sammlung des Astronomisch-Physikalischen Kabinetts in Kassel und galt als ein
führender Experte für prähistorische Artefakte und frühe Informationstechnik.
Vor Kassel war er einige Jahre in Athen gewesen, um am "Antikythera
Mechanism Research Project" mitzuarbeiten, nicht im Auftrag einer der
beteiligten Universitäten, sondern als Angestellter des Sponsors Sunssun, eines
IT-Unternehmens, welches das Projekt technisch ausgestattet hatte und im
Gegenzug wenigstens wissen wollte, was da so ablief.
    Die Sunssun-Leute hatten ihm, der damals noch als kleiner,
frisch promovierter Dozent an der Wiener Uni tätig gewesen war, die Chance
gegeben, eins der faszinierendsten Objekte für menschlichen Forschergeist zu
studieren: ein antikes Artefakt, das man 1900 vor der griechischen Insel Antikythera
aus einem Wrack geborgen hatte, welches einhundertfünfzig Jahre vor Christi
Geburt dort gesunken war und das mittlerweile im Archäologischen Nationalmuseum
von Athen gewissermaßen festsaß, bewacht von einem tonnenschweren Computertomographen,
da es viel zu heikel gewesen wäre, das Ding durch die Welt zu schleppen und in
noch mehr Fragmente zu zerschlagen, als dies ohnehin schon der Fall war.
    Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als Mach
bereits mit vierzehn Jahren auf eine Abbildung dieses Objekts gestoßen war, eines
Gebildes, das zu jenen Gegenständen und Tieren und Menschen gehörte, die es
eigentlich gar nicht hätte geben dürfen. Zumindest nicht nach aktuellem
Wissensstand. Denn der sogenannte Mechanismus von Antikythera, auch gerne als der
"erste Computer der Welt" geführt, stellte nicht bloß ein Gerät dar,
um die Bewegung der Himmelskörper zu berechnen, sondern war ausgestattet mit
einem Differentialgetriebe - was in etwa so war, als hätte einer in einer
Taschenuhr des siebzehnten Jahrhunderts eine Knopfzelle entdeckt.
    Betrachtete man diese "Maschine" mit

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