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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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ihrer "Fähigkeit",
Sonnen- und Mondfinsternisse ebenso wie Olympiaden oder das Erscheinen von
Tierkreiszeichen am Sternenhimmel genau vorausberechnen zu können, ihre präzise
und fortgeschrittene Machart, die eingeritzten Zeichen, die in der Art einer
Gebrauchsanweisung ihre richtige Nutzung beschrieben, berücksichtigte man vor
allem den Umstand, daß hier selbstverständlich von einer runden Erde die
Rede war und möglicherweise von einer runden Erde, die nicht das
Zentrum bildete, und bedachte man zuletzt, daß nach der Anfertigung dieser
Apparatur mehrere Jahrhunderte lang so gut wie nichts Vergleichbares hergestellt
worden war - ja dann drängte sich unweigerlich die Frage auf, wieso die
Menschheit in weiterer Folge in so viele dunkle Löcher gefallen war, anstatt,
wie es eigentlich ihrer Natur hätte entsprechen müssen, die Erkenntnis
fortzuführen und aus der einen genialen Maschine die nächste geniale Maschine
herauszuziehen. - Kurzum: Eingedenk der Großartigkeit dieses Mechanismus hätte
man in unseren Tagen längst über intergalaktische Raumschiffe oder die
Technologie des Beamens verfügen müssen, und nur das seelische Unglück wäre
dann noch genau so gewesen, wie es heute ist.
    Das war einer der vielen Punkte, der die Wissenschaft
interessierte: nicht nur die völlige Enträtselung der Maschine und ihrer
Herkunft, sondern auch die Einordnung in eine Welt, die imstande gewesen war,
solche Gerätschaften hervorzubringen. Denn natürlich war davon auszugehen, daß
die Gelehrten der Antike weitere derartige "intelligente Maschinen"
hergestellt hatten, somit diese Kultur in einer Weise "fortgeschritten"
gewesen war, wie man es sich bislang nicht hatte vorstellen können.
    Leider nur hatte der Triumph der Römer auch in
griechischen Landen dazu geführt, daß Objekte aus Bronze eingeschmolzen worden
waren, um anderes, nicht ganz so Intelligentes herzustellen. Die Römer waren
das Unglück gewesen. Das Glück hingegen hatte sich allein aus dem Zufall eines
sinkenden Schiffes ergeben, dessen Ladung in den Schutz des Meeres geraten war,
um zweitausend Jahre später von einer Menschheit entdeckt zu werden, die sich
gerade auf seine eigene römische Phase vorbereitete und in der Folge ihrerseits
ganz groß im Einschmelzen sein würde.
    Wie auch immer - bereits fünf Jahre nach ihrer Entdeckung,
also 1905, hatte Albert Rehm, ein klassischer Philologe aus Augsburg, die
Bedeutung dieser von den Umständen seiner maritimen Lagerung angenagten
Zahnradkonstruktion als astronomische Rechenmaschine erkannt. Allerdings sollte
es dann nochmals weitere Jahrzehnte dauern, bis der Mechanismus vollständig
durchleuchtet und analysiert war, was Anfang der 1970er Jahre endlich, dank
Röntgenfotografie, einem gewissen Derek de Sofia Price gelang.
    Mach trug ein Bild dieses Engländers, der 1983 gestorben
war, stets bei sich. Er wollte nie vergessen, was dieser Mann geleistet hatte,
auch wenn nicht sämtliche seiner Annahmen bestätigt worden waren. Aber Price
war sein Held. Und ein wenig hatte er ja selbst zum Helden werden wollen,
indem er nach Athen gegangen war, um sich als Sunssun-Mann daran zu beteiligen,
dem Gerät alle seine Geheimnisse zu entlocken beziehungsweise das Gerät zu
deren Preisgabe zu zwingen. Denn in gewisser Weise war es zweifellos eine
Konfrontation zwischen einem sehr alten Computer, dem antiken Analogrechner,
und einem sehr neuen Computer, dem Tomographen. Der eine voller Wissen, der
andere voller Begierde, dieses Wissen offenzulegen. Die Berechnung der Welt
gegen die Durchleuchtung der Welt.
    Das war jedenfalls ein wenig Machs Eindruck gewesen: daß
die sieben Haupt- und fünfundsiebzig Nebenfragmente des wahrscheinlich einst
aus siebenunddreißig Zahnrädern bestehenden Mechanismus sich wehrten, so wie
man auch sagt, ein Organismus würde sich wehren. Gegen den Überfall, den
Virus, das Eindringen. So gut dem Research Project eine Dekodierung des Geräts
und seiner Gebrauchsanweisung gelungen zu sein schien, spekulierte Mach
dennoch, daß die Maschine in einer von Ablenkungsmanövern bestimmten Art und
Weise ein Wissen offenbart hatte, um ein anderes, noch viel wesentlicheres zu
verbergen. Gleich einer schönen Frau, die mit langen Beinen und phantastischen
Augen davon ablenkt, gar keine Frau zu sein, sondern ein perfekter
Transvestit. Wenn man den Slip wegnahm, konnte man es sehen. Aber im Falle des
Mechanismus war eben bislang nur Mach auf die Idee gekommen, überhaupt irgendwo
einen Slip zu

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