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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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wo
draufsteht, daß sie keine Süßigkeiten essen dürfen. Einer wie dieser Lundquist
hingegen ist vollkommen unauffällig. Eine Bombe, aber unsichtbar. Ein Virus,
der noch Aids heißt, aber längst schon was ganz anderes ist."
    Rosenblüt verzog den Mund zu einer schrumpeligen Frucht
und stellte fest: "Sie wollen mir also einen Mann andrehen, dessen Verbrechen
darin besteht, Ihnen ein Schießgewehr abgekauft zu haben. Anstatt meine
eigentliche Frage zu beantworten. Ich bitte Sie, Aydin, es mag ja sein, daß
Allah der Größte ist und keiner so anbetungswürdig wie er, aber hier bei uns
regiert der liebe Christengott, und die Polizei dazu. Geben Sie mir, wonach ich
begehre."
    "Wenn ich das tue, werden die mich umbringen.
Versprochen!"
    "Ja, was denken Sie denn, Aydin? Daß Sie lange leben?
So, wie Sie leben, so, wie Sie Geschäfte machen? Bei Ihnen gehört der frühe Tod
dazu, auf die eine oder andere Weise. Das ist Ihr Schicksal, und das wissen
Sie."
    "Mag sein. Doch morgen oder übermorgen ist mir
definitiv zu früh, Maestro Rosenblüt."
    "Gut", sagte der solcherart Gepriesene, "trotzdem
brauche ich eine Information, mit der ich hier zur Türe hinausgehen kann, ohne
mich vor meiner Kollegin zu genieren. Einen Hinweis, mit dem ich weiterarbeiten
kann, von mir aus etwas, wo keiner auf die Idee kommt, Sie hätten
geredet. - Wie wäre es denn mit einem Rätsel?"
    "Ein Rätsel?"
    "Im Rätsel tarnt sich der Rätselgeber",
philosophierte Rosenblüt.
    Aydin überlegte. Ihm war schon klar, daß er Rosenblüt
etwas in die Hand geben mußte. Keinen kleinen Albaner und keinen kleinen Russen
und offensichtlich nicht einmal einen kleinen Attentäter, obwohl es sicher ein
Fehler Rosenblüts war, dieses Angebot abzulehnen. Aydin drehte gedankenverloren
sein schmales Handy gleich einem Kreisel über die Tischfläche. Seine Augen
drehten mit. Dann hob er den Kopf und sagte: "Also gut, Maestro. Hier mein
Rat und mein Rätsel: Gehen Sie hin, wo die Löwen weinen."
    "Wo die Löwen weinen?"
    "Genau, wo die Löwen weinen."
    "Na gut", sagte Rosenblüt. "Das muß ich mir
durch den Kopf gehen lassen."
    "Werden Sie jetzt Frieden geben?"
    "Wie kann ich Ihnen so was versprechen?" fragte
Rosenblüt zurück. "Vielleicht ist es ja ein affiges Rätsel, das mich bloß
in die Irre führen soll."
    "Es ist ganz sicher nicht affig", beteuerte
Aydin.
    Rosenblüt erhob sich, gab Landau ein Zeichen. Sie gingen.
Aydin blieb hinter seinem Schreibtisch zurück. - Es gibt Leute, deren Trick
darin besteht, sooft als möglich den Ort, den Platz, die Position zu wechseln.
Sami Aydins Trick schien offenkundig exakt aus dem Gegenteil zu bestehen.
     
    Im ersten Stock saß noch immer Kepler wie einst Lauscher:
jenseits der Zeit. Sein kurzes, bürstenartig festes Fell verfügte im Schein des
Treppenhauslichts dieses Mal über einen Schimmer aus mehreren Violettvariationen.
Ein Veilchenstrauß von einem Hund. "Komm!" sagte Rosenblüt.
    Unten dann im Auto, als Kepler wieder graubraun war und
brav in der Mitte saß, fragte Rosenblüt seine Begleiterin: "Haben Sie
einen Computer zu Hause?"
    "Sicher."
    "Ich würde ihn gerne benutzen."
    "Das können Sie auch in meinem Büro tun oder in Ihrem
Hotel. Oder ich gebe Ihnen mein Handy, da haben Sie ebenfalls einen Internetzugang."
    Nun, Rosenblüt war selbst im Besitz eines solchen Handys. "Nein,
bei Ihnen zu Hause", bat er, immer noch ohne echte Begründung, doch Landau
ließ es gut sein, akzeptierte Rosenblüts Wunsch und startete den Wagen.
     
    Landau bewohnte ein kleines Häuschen, das in einer Reihe
anderer lieblicher Bauten stand. Zur Straßenseite hin erstreckte sich ein ebenes
Stück Wiese mit Bäumen und Beeten, während zur Rückseite hin das Gelände steil
abfiel und sich dem Betrachter der für diese Stadt so typische Panoramablick
eröffnete.
    Die Zimmer des einstöckigen Baus, den irgendein braver
Mann in den 50er Jahren Stein für Stein errichtet hatte, waren mit viel Liebe
zum Detail eingerichtet worden, ohne daß aber eine Fülle entstanden wäre. Die
meisten der zahlreichen Dinge verfügten über genügend Platz zum Atmen. Dort
hingegen, wo die Gegenstände eng aneinanderstanden, ergab sich eine Art von
Mund-zu-Mund-Beatmung, im Stile einer Lebensrettung von Taucher zu Taucher. Was
allerdings nirgends zu entdecken war - und dies war der eigentliche Grund für
Rosenblüts Drängen gewesen, an diesem und keinem anderen Ort seine Recherche
zu betreiben -, waren jene Bücher, von denen Landau erzählt hatte.

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