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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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Löwen
weinen. So 'ne poetische Wendung, stammt aus AL, dem Spielberg-Film über dieses Roboterkind, das genauso
wie Pinocchio ein richtiger Junge werden will und auf der Suche nach der blauen
Fee ist."
    "Und weiter?"
    Lynch fuhr fort: "Na, bei dem magischen Ort, an dem
die blaue Fee leben soll, handelt es sich doch um Manhattan, das im Meer versunken
ist und dessen Hochhaustürme aus dem Wasser ragen. Und da heißt es dann, der
Junge solle sich an den Ort begeben, wo die Löwen weinen. Die weinenden Löwen
sind, wie sich zeigt, riesige Bronzestatuen, die die Art-Deco-Fassade eines
dieser Gebäude als Wasserspeier schmücken und denen das Meerwasser aus den
Mäulern und Augen strömt."
    "Welches Gebäude ist damit gemeint?" fragte
Rosenblüt.
    "Keine Ahnung, man sieht zwar am Anfang die Twin
Towers, und man erkennt das Chrysler, aber ich denke, das Löwengebäude könnte
eine Erfindung sein. Wenn nicht, würde ich am ehesten schätzen, es ist das
Rockefeller Center. Jedenfalls müßte ich da noch genau nachschauen."
    "Tun Sie das bitte."
    "Bin ich jetzt bei der Polizei?" fragte Lynch.
    "Sagen wir, Sie gehören zu meiner inoffiziellen
Mannschaft."
    "Und mein Cousin?"
    "Der ebenfalls. Übrigens wäre es besser, wenn Sie ihm
in der nächsten Zeit ausweichen."
    "Er hat sicher gedroht, mir ein Auge auszustechen.
Das ist ein dämlicher, alter Spruch von ihm. Dabei ist er ein tuberkulöser
Gartenzwerg."
    "Wie auch immer. Besorgen Sie sich die DVD, und
melden Sie sich gegebenfalls."
    "Sir! Yes sir!" Rosenblüt legte auf.
    Eben trat Landau auf die Terrasse, neben ihr ein
gesättigter Kepler (daß auch philosophische Hunde Nahrung brauchen, ist zwar
enttäuschend, dennoch nicht unnatürlich), und stellte ein Tablett mit Kaffeegeschirr
auf den Tisch.
    Rosenblüt fragte: "Kommt Ihnen etwas in den Sinn,
wenn Sie beim Begriff der weinenden Löwen an Wasserspeier denken? Brunnenfiguren
oder Gebäudefiguren? Irgend etwas hier in Stuttgart? Kann auch eine Sache sein,
die in Bezug zum Rockefeller Center in New York steht. Aber konzentrieren wir
uns erst auf die Löwen. Skulpturen, vielleicht Stein, vielleicht Bronze, vielleicht
Regenwasser, vielleicht Brunnenwasser."
    Landau setzte sich. Eigentlich hätte auch sie - sie
nämlich erst recht, so schmal und weißhäutig, wie sie war - im Abendlicht einen
durchsichtigen Eindruck machen müssen, doch die Nachdenklichkeit, in die sie versank,
bildete eine feste Schicht, durch die kein Licht zu dringen schien. Wenn Teska
Landau nachdachte, dann wirkte sie in der gleichen Weise massiv und dunkel wie
in den Momenten, da sie hinter dem Steuer ihres VW-Busses saß. Ja, es schien,
als sei der Schatten, den sie über den Steinboden und ein Kopfstück hoch an
die Hauswand warf, sehr viel heller als sie selbst. Der Schatten rötlich vom Licht,
nur er. So verblieb sie eine ganze Weile in dieser Dunkelheit, bevor sie
langsam ihr Haupt zu dem geduldig wartenden und in seinen Kaffee vertieften
Rosenblüt drehte und ankündigte: "Das ist jetzt vielleicht sehr weit
hergeholt..."
    "Macht nichts", versicherte Rosenblüt, "manchmal
ist der Weg nun mal weit. Richtig kann er trotzdem sein."
    "Weinende Löwen, weinende Löwen - da war tatsächlich
etwas mit einem Haus, einem Garten. Ich meine mich an eine solche Formulierung
erinnern zu können. Aber keine offizielle Bezeichnung, sondern gewissermaßen
eine polizeiinterne. Das muß viele Jahre zurückliegen, als ich eben erst in
den Kriminaldienst eingetreten bin ... jetzt fällt es mir wieder ein! Das war
die Geschichte mit den Burschenschaftern."
    Landau führte aus, daß im Süden der Stadt, am oberen Ende
einer der für Stuttgart so typischen Hangtreppen eine Villa liege, ein Jahrhundertwendebau
in bester Lage, welcher einer schlagenden Verbindung als Stammsitz diene,
einer Verbindung mit dem Namen Adiunctus. Auf der Rückseite des Hauses befinde
sich ein Grundstück mit einem Garten und in diesem Garten ein von einer geometrischen
Hecke eingeschlossener Brunnen im barocken Stil. Wenn die Erinnerung sie nicht
täusche, seien es vier, fünf Löwen gewesen, nicht größer als kleine Hunde, die
in Form von Wasserspeiern das kreisrunde Becken schmückten, wobei nicht nur aus
den Mündern Wasserstrahlen brachen, sondern auch aus den Augen. Weinende Löwen
halt. Die skurrile Idee eines namenlosen Brunnenbauers, was auch immer er der
Welt damit habe sagen wollen.
    "Es gab damals ein Problem mit einigen der Studenten,
die dort wohnten", erzählte Landau, "und eine

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