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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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Vielmehr waren seitlich,
gewissermaßen aus der Gebrauchsanweisung ragend, mehrere mechanische Hebel
angebracht, die sich freilich ebensowenig in Gang setzen ließen wie der gesamte
Korpus. Das war schon verrückt, dieses Artefakt keinen Millimeter verrücken zu
können. Dabei zeigten sämtliche Materialanalysen, daß es sich um eine
terrestrische Bronze handelte, um jetzt einmal den Verdacht abzuschmettern,
irgendwelche Außerirdische hätten selbiges Objekt aus einem erdfernen, Superschweren Material gefertigt und dann ausgerechnet in der Stuttgarter Erde
versenkt. Nein, das Ding war eigentlich "normal" zu nennen. Abnormal
war nur sein Verhalten. Mach drückte es so aus: "Die Maschine macht sich
schwer. Und sie stellt sich tot."
    "Soll ich das jetzt symbolisch verstehen?" hatte
ihn Palatin gefragt.
    Nun, eigentlich nicht. Aber selbstredend mußte Mach darauf
verzichten, eine esoterisch klingende Erklärung abzugeben. Palatin wollte
etwas hören, was er auch verstehen konnte. Schließlich versorgte er Mach mit
der bestmöglichen Ausrüstung. So stand etwa ein nagelneuer Computertomograph
zur Verfügung, besser noch als das Ding in Athen. Was Mach forderte, bekam er.
Geld spielte keine Rolle. Allerdings entsprach dies sowieso dem Prinzip des
gesamten Bahnhofsprojekts: diese gewisse Schwerkraft ökonomischer Bedingungen
zu ignorieren. Indem man unter die Erde
ging, wollte man über den Verhältnissen leben, die
Verhältnisse außer Kraft setzen.
    Um so ärgerlicher, daß man diesen schrankgroßen "alten
Griechen" nicht zwingen konnte, Platz zu machen. Dennoch, für Mach wurde
immer gewisser, daß die Maschine sich in irgendeiner Form von Ruhemodus
befand. Neben der Möglichkeit des Totstellens und des Ausgeschaltetseins sah
er auch die, es quasi mit einer schlafenden Maschine zu tun zu haben. Blieb die
Frage, wie man sie aufwecken konnte. Und was passieren würde, wenn dies gelang.
Denn sosehr die Konstruktion über Teile verfügte, die auf den
Antikythera-Mechanismus verwiesen und ebenfalls geeignet waren, den Lauf der Sonne
durch die Tierkreiszeichen zu illustrieren oder die Vorhersage von Mond- und
Sonnenfinsternissen zu bewerkstelligen, schien sie darüber weit hinauszugehen.
Natürlich war noch vieles, was Mach zu erkennen meinte, Spekulation. Aber
Spekulation von jener Art, mit der man prophezeien kann, daß Österreich eine
bestimmte Fußballqualifikation kaum schaffen wird. (Man darf ja nicht
vergessen: Mach war gebürtiger Wiener, obgleich er das gerne leugnete. Wie man
einst geleugnet hatte, Vampir zu sein, bevor dann diese Filme und Bücher kamen
und der Vampirismus gesellschaftsfähig wurde.)
    Was diese Maschine allerdings deutlich ausdrückte, war,
daß seine einstigen Benutzer ein heliozentrisches Weltbild vertreten hatten.
Eine Art Planetenmodell ließ diesbezüglich keinen Zweifel. Auch insofern nicht
- und dies war eigentlich die noch größere Sensation -, daß die Konstrukteure
dieser Maschine Kenntnis von zehn Planeten im Sonnensystem besessen hatten. Einer
zuviel, könnte man sagen, beziehungsweise, eingedenk der Pluto-Degradierung,
auch, zwei zuviel. Aber was heißt denn "einer
zuviel"? Heißt das, ein Objekt existiert nicht, oder heißt es, daß jene,
die behaupten, es sei nicht da, es lediglich nicht sehen?
    Dazu kam, daß die Apparatur ein weiteres aus kleinen und
großen Ringen zusammengesetztes Planetenmodell barg, welches Mach in keiner
Weise zuordnen konnte. Wie denn auch, in Anbetracht des Umstands, daß
gesicherte Planetensysteme jenseits des unsrigen mitnichten eine Stärke
gegenwärtiger Astronomie darstellen? Handelte es sich vielleicht um einen
antiken Scherz, ein fiktives System, ein exemplarisches Basismodell, eine
Spielanordnung ...? Verrückt, sich vorzustellen, die alten Griechen hätten
aufweiche legale oder illegale Weise auch immer Kenntnis von einem extrasolaren
Planetensystem gehabt! Um jetzt nicht noch von einer Verbindung zu diesem
System im Stile einer Städtepartnerschaft zu sprechen.
    Es zeugte von einer romantischen Note Machs, daß er die
Maschine neuerdings als Schloßgarten-Mechanismus bezeichnete, womit er zudem
Palatin ein wenig ärgern konnte. Dennoch war ihm klar, daß die ursprüngliche
Einordnung als Maschine eher dem Charakter dieses Gebildes entsprach. Denn das
Wesen von Maschinen ist ihre Unberechenbarkeit, ihr Hang, nicht immer das zu
tun, was von ihnen verlangt wird. Der Begriff Maschine und die Phrase von der
Tücke des Objekts gehören mithin

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