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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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unmittelbar zusammen.
    Im Unterschied zum Antikythera-Artefakt, welches bis zu
siebenunddreißig Zahnräder von unterschiedlicher Größe, aber gleicher Zahnform
besaß und - wohl die Mobilität seiner Benutzer berücksichtigend - über ein
handliches Format verfügte, konnte man den Schloßgarten-Mechanismus als
Großrechner verstehen, welcher mehrere in sich geschlossene Systeme vereinigte,
so, als wären hier ein Dutzend Antikythera-Mechanismen um ein leeres Zentrum
gruppiert worden.
    Denn ein solches bestand. Die Bilder des Tomographen
verrieten dort, wo exakt der "Kern" der Maschine lag, einen
schuhschachtelgroßen leeren Raum. Das brauchte nicht viel zu bedeuten, konnte
sich zwingend aus der Konstruktion und Anordnung ergeben haben. Was aber, wenn
nicht? Leere Räume waren immer verdächtig, erst recht, wenn sie das Zentrum
eines Körpers bildeten. Und noch etwas: Leere Räume waren selten leer. In ihnen
steckte der Geist. Der Geist in der Maschine, der Geist in der Flasche.
    Nicht, daß Mach ein Freund des Hokuspokus war, und ganz
sicher wollte er kein zweiter Däniken werden. Um aber dem vorrangigen Ziel
näherzukommen, die Maschine zu bewegen, sie im wahrsten Sinne des Wortes zu
stemmen, würde er nicht ohne die Psychologie und möglicherweise auch nicht ohne
die Metaphysik auskommen.
     
    Es war drei Uhr in der Nacht, als er da im Wohnraum jener
wirklichen Dame saß, die ihm ihr Haus überlassen hatte. Ursprünglich hatte er
gedacht, sie bleibe nur ein paar Tage weg. Doch nach einer Woche hatte sie
angerufen und ihm knapp mitgeteilt, ihre Sache würde sich ziehen.
    "Meine Sache ebenfalls", hatte er geantwortet.
    "Wie schön", war ihr Kommentar gewesen, "wenn
sich das eine und das andere zieht. Und ohne es gewollt zu haben, hupps!,
ziehen plötzlich alle am selben Strang."
    Ihm konnte es recht sein. Er liebte dieses Haus, den
Ausblick, die Ruhe der Nächte, in denen er am Computer saß und die gesammelten
Daten verglich und analysierte sowie die tomographischen Schnittbilder zu
Modellen zusammenfaßte. In erster Linie war er natürlich damit beschäftigt,
die Inschriften auf den beiden Seitenflächen zu entziffern, wobei er ein
Verfahren von Sunssun anwendete, indem er die Oberfläche in hoher Auflösung aus
diversen Blickwinkeln und unter diversen Lichtverhältnissen fotografierte und
in der Folge aus vielen "unsichtbaren" Bildern ein "sichtbares"
formte, einen altgriechischen Text, den er freilich erst noch zu übersetzen
hatte. Vieles davon wirkte auf Mach unverständlich und verwirrend, klar waren
ihm nur wenige Hinweise, etwa der, der sich auf das neunzehnsonnenjährige Kalendersystem
des Astronomen Meton bezog, Hinweise also, die auch das Antikythera-Artefakt
beinhaltete und Mach somit vertraut waren. Was aber hatten die immer wieder
auftauchenden Verweise auf menschliche Gliedmaßen und menschliche Organe zu
bedeuten? Verweise auf Blutgefäße! Wessen Blutgefäße? Die der Maschine oder die
des Benutzers der Maschine? Oder war da noch jemand Dritter im Bunde?
    Augen, Mund, Zunge, Hände. - Wessen? Eine Frage, die zu
beantworten er nicht die Zeit haben würde, die er benötigte. Zumindest so
lange nicht, wie er außerstande war, die Maschine zu bewegen. In diesem Punkt
war er in den drei Wochen seines Stuttgarter Aufenthalts kein Stück
weitergekommen. Der entschlüsselte Teil der Inschriften sagte ihm nicht, was
zu tun war. Einmal war es sogar geschehen, daß er die Maschine angeschrien
hatte. Die Leute - Palatins Leute -, welche stets vor Ort waren, teils, um die
Maschine zu bewachen, teils, um Mach zu assistieren, hatten Palatin davon
berichtet. Dieser hatte später süffisant gemeint: "Um einen Haufen
Zahnräder anzubrüllen, hätte ich auch irgendeinen Rotzlöffel aus Stuttgart
engagieren können."
    Überhaupt wurde Palatin ungeduldig. Er gab Mach noch eine
weitere Woche, dann wollte er ein Resultat sehen, eine Veränderung, einen
Fortschritt, und nicht bloß Erkenntnisse über Planetenmodelle und Sternbilder.
Die Sterne konnten warten. Palatin sagte es so: "Unser Oberbürgermeister
haßt diese Maschine. Sie macht ihn wütend, so wütend wie das Gesindel, das
jeden Montag wegen des alten Steinhaufens Krokodilstränen vergießt. Er braucht
jetzt langsam ein Erfolgserlebnis. Das will ich ihm gerne bereiten. Leider
kann ich die Demonstranten nur schwer wegschießen. Die Maschine schon."
    "Die kann man ebensowenig wegschießen",
verkündete Mach.
    "Sie aber, Mach, Sie kann man
wegschießen."
    "Wie

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