Steinfest, Heinrich
blieb eine Erklärung schuldig, äußerte statt
dessen, gehört zu haben, die Stadt Stuttgart hätte Uhl beauftragt, ein
Gutachten über die geologischen Verhältnisse des Schloßgartens zu erstellen,
über die Erkundung eines unwilligen Erdreichs sowie die Möglichkeiten seiner
Zähmung.
"Ja, und was ich so gehört habe", erwiderte
Fabian trocken, "hat Uhl derart viel in München zu tun, daß er keine Zeit
mehr findet, sich um unsere Stuttgarter Verhältnisse zu kümmern. Das nehme ich
ihm ein wenig übel, will da aber nicht zu streng sein."
"Immerhin", mischte sich nun Teska Landau ein,
der offensichtlich Fabians Rolle in der Bahnhofsgeschichte vertraut war, "waren
Sie selbst durchaus in der Lage, ein Gutachten zu verfassen."
"Schauen Sie, ich bin emeritiert", sagte Fabian,
"aber nicht inaktiv. Jedenfalls verfüge ich über etwas mehr Zeit als
Kollege Uhl. Zudem liegt mir das Schicksal dieser Stadt sehr am Herzen."
"Sie meinen, das Bahnhofsprojekt liegt Ihnen am
Herzen", merkte Landau an und lächelte wie eine Heckenschere vor dem
Hintergrund einer Hecke.
Fabians Blick verwandelte sich. In Sekundenschnelle hatte
sich eine dünne Eisschicht über seine Hornhaut gelegt. Man konnte ein Knistern
hören, als er jetzt fragte: "Welche Position und welchen Dienstgrad
bekleiden Sie eigentlich, liebe Dame?"
"Ich bin Kriminalhauptmeisterin und wurde
abkommandiert, um Herrn Rosenblüt zu assistieren."
"Und Sie meinen also, das befugt Sie zu Frechheiten?"
"Frechheiten sehen anders aus", mischte sich
wieder Rosenblüt ein.
"Nun, soweit ich weiß, haben Ihre Frechheiten,
Herr Kommissar, Sie den Job in Stuttgart gekostet. Ihre Kollegin wäre somit
schlecht beraten, Ihrem Vorbild zu folgen."
"Ach wissen Sie", sagte Rosenblüt, "diesen
jungen Frauen heutzutage kann man sowieso nichts sagen. Der weibliche
Eigensinn blüht. Damit muß man leben. - Aber zurück zu Uhl. Könnte es vielleicht
sein, daß seine geologischen Untersuchungen der Schloßgartenerde nicht ganz zu
den Ergebnissen geführt haben, die man im Kreise seiner alten Freunde gerne
gesehen hätte? Daß Uhl Schwierigkeiten erkannt hat, die er nicht hätte erkennen
sollen? Daß er vergessen hat, daß jemand, der ein Gutachten in Auftrag gibt,
nachher kein Schlechtachten bezahlen möchte?"
Fabians Anzugloden straffte sich zu einer Rüstung. Er
sagte: "Sehen Sie, Herr Kommissar, das meine ich mit jemand nehme sich
eine Frechheit heraus: daß er sich bewußt dumm stellt. Und das tun Sie, weil
wohl Ihre verkorkste Vergangenheit Sie dazu zwingt. Sie wissen nur zu gut, daß
Uhl nie begonnen hat, eine solche Untersuchung vorzunehmen. Definitiv. Das
träumen Sie nur. Und damit, finde ich, können wir das Gespräch beenden. -
Fahren Sie zurück nach München, Rosenblüt, Stuttgart ist nicht mehr Ihre Stadt.
Und nehmen Sie das dumme Mädel gleich mit."
Doch Rosenblüt blieb ungerührt und stur. Er wählte erneut
den direkten Weg und sagte: "Noch einmal! Wurde Uhl zum Verräter erklärt,
weil er nicht bereit war, sein Gutachten zu türken?"
"Wie drücken Sie sich denn aus? Gutachten türken. Als
Beamter müßten Sie eigentlich wissen, welche Wörter man verwenden darf und
welche nicht."
Rosenblüt hätte jetzt gerne eine spöttische Bemerkung über
das höchstwahrscheinlich gute Verhältnis Fabians zu gewissen türkischen Kreisen
fallenlassen, damit aber freilich Sami Aydin in Gefahr gebracht. Also
unterließ er es. Er sagte: "Tut mir leid, das passiert mir immer wieder:
mit den falschen Worten mitten ins Ziel zu treffen."
Fabian antwortete: "Was auch immer Sie damit sagen
wollen, sagen Sie es draußen vor der Türe. Ich müßte mich sonst genötigt sehen,
die Polizei zu rufen."
"Sie meinen sicher, den Polizeipräsidenten."
Fabian verzichtete darauf, zu erklären, was er meinte,
sondern zwängte sich aus dem heckenumsäumten Brunnenreich und kehrte zu seinen
Gästen zurück.
"Mann, wir sind hier ja so was von richtig!"
stellte Rosenblüt fest.
Landau nickte, wandte aber ein: "Um das zu beweisen,
brauchten wir Aydins Aussage."
"Mehr als den Hinweis mit den Löwen wird er nicht
herausrücken. Aydin fürchtet diese Leute, und er fürchtet sie zu Recht."
"Und Uhl? Wenn wir ihn damit konfrontieren, daß wir
auf Fabian und die Adiuncten gestoßen sind?"
"Ja, das wäre eine Möglichkeit. Wir müssen zusehen,
daß Uhl redet. Über das Gutachten, über die Adiuncten."
"Und die Freunde der Adiuncten", ergänzte Teska
Landau und zählte auf, wen sie dort drüben unter dem
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