Steirerblut
Kovacs an einem der beiden Fenster und blickte hinaus. Im Umdrehen nahm er die Hände aus den Hosentaschen.
»Guten Tag, Herr Kovacs«, grüßte Sandra und ging auf den etwas über 1,80 Meter großen Mann im schwarzen Anzug zu. »Mein herzliches Beileid«, fügte sie an und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Sandra Mohr vom Landeskriminalamt Steiermark, Mordgruppe.«
Paul Kovacs war ein überdurchschnittlich gut aussehender Typ, der locker als Italiener durchging, stellte sie fest. Sein feiner Anzug war ebenso Maßarbeit wie das blütenweiße Hemd und die makellos polierten schwarzen Lederschuhe. Der Mann hatte Stil und einen edlen Geschmack, den er sich offensichtlich auch leisten konnte. Er sah aus, als wäre er einem Hochglanz-Modemagazin entsprungen. Mit Mitte vierzig wirkte er allerdings um einiges reifer als die üblicherweise darin abgebildeten geschniegelten Männermodels. Dennoch fand Sandra Paul Kovacs fürs echte Leben viel zu perfekt.
Er dankte ihr für das Mitgefühl und schüttelte ihre Hand mit festem Druck. Die exklusive Uhr an seinem Handgelenk fiel Sandra sofort auf: Die ›Lange 1‹ von A. Lange & Söhne war unter 12.000 Euro nicht zu bekommen, so viel wusste sie. Aus Schmuck hatte sie sich noch nie viel gemacht, aber schöne Uhren und deren präzise Mechanik faszinierten sie umso mehr. Schade nur, dass sie sich selbst wohl nie einen derart edlen Zeitmesser aus dem deutschen Uhrenmekka Glashütte würde leisten können.
»Grüß Gott, Herr Kovacs«, machte sich nun auch Bergmann bemerkbar und forderte Kovacs auf, sich an den Besprechungstisch zu setzen, dessen hellgraue Resopalplatte zum kühlen Ambiente des Raumes beitrug. Genau wie die leeren Regale, die im selben Grauton gehalten waren, und die obligate weiße Magnettafel an der gegenüberliegenden Wand. Die einzige Dekoration im Raum, außer dem alten Overheadprojektor, war das Tablett mit der Thermoskanne und dem Kaffeegeschirr, das Petra für die Einvernahme vorbereitet hatte. Es war kalt hier drinnen, fand Sandra und nahm fröstelnd neben ihrem Kollegen Platz. Bergmann sah seinem Gegenüber direkt in die Augen, stellte sie verwundert fest, obgleich er ihren Blicken doch stets auswich.
Die grauen Augen des Paul Kovacs erinnerten Sandra an Stahlkugeln. Seine auffallend weißen Zähne mussten gebleicht sein. Er erkundigte sich, ob sie schon einen Verdacht hätten, wer das Verbrechen an seiner Frau begangen haben könnte. Sandra wies ihn darauf hin, dass sie nun, wenn er nichts dagegen hätte, das Aufnahmegerät einschalten würde.
Kovacs willigte mit einer Geste ein, während Bergmann seine Frage beantwortete: »Nun, wenn Sie so direkt fragen, Herr Kovacs: Abseits des Offensichtlichen – damit meine ich eine mögliche Sexualstraftat
mit tödlichem Ausgang durch einen noch unbekannten Täter – denken wir, dass der Mord an Ihrer Frau mit dem Artikel zusammenhängen könnte, an dem sie zuletzt gearbeitet hat.«
»Tatsächlich? Und was war das für ein Artikel?«, fragte Kovacs.
»Das wissen Sie nicht?«, fragte Bergmann zurück. Die Männer fixierten einander noch immer mit ihren Blicken.
»Woher sollte ich das denn wissen? Ich habe mich noch nie für das Geschreibsel meiner Frau interessiert.« Kovacs senkte nun den Blick und betrachtete seine perfekt manikürten Fingernägel.
»Warum denn so abfällig? Ihre Frau war eine ziemlich erfolgreiche Aufdeckungsjournalistin«, meinte Sandra. »Sie hat im vergangenen Jahr sogar den Alfred-Worm-Preis für die beste investigative Story gewonnen. Das war Ihnen aber schon bekannt, oder etwa nicht?« Kovacs sah nun Sandra an, und augenblicklich wurde ihr noch kälter.
»Ist sie deshalb in dieses gottverlassene Nest gereist?«, fragte der Witwer zurück.
»Wir hatten gehofft, das könnten Sie uns beantworten«, entgegnete Sandra.
»Nein. Tut mir leid.«
»Plant oder realisiert Ihre Firma zurzeit irgendwelche Bauprojekte hier in der Umgebung?«, fragte Bergmann.
»Der Bau des Einkaufszentrums bei Judenburg ist seit drei Monaten abgeschlossen. Derzeit wird im Grazer Büro an einem Tiefgaragenprojekt für die Landeshauptstadt gearbeitet. Selbiges befindet sich aber noch in der Ausschreibungsphase. Ansonsten arbeiten wir im Moment an kleineren privaten Projekten. Keines davon befindet sich im Bezirk Murau. Warum fragen Sie?«
»Herr Kovacs, Ihre Frau hat für eine Story über einen Korruptionsskandal in der Immobilienbranche recherchiert, der angeblich bis nach Osteuropa reichen
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