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Steirerblut

Steirerblut

Titel: Steirerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Rossbacher
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Sie hatte sich oft genug darüber geärgert. Dennoch konnte sie es ihm nicht verübeln, dass er Bergmann ablehnte, so wie der ihn behandelt hatte.
    Bergmann verzichtete auf die üblichen Sticheleien, nachdem sie ihn kurz informiert hatte, was mit ihrer Mutter passiert war. »Kannst du mir was mitbringen? Ich hab seit heute Morgen nichts gegessen«, bat er sie.
    »Sicher. Wie wär’s mit einer Brettljausn? Sehr zu empfehlen.«
    »Gerne. Ach ja, noch was: Stell dich schon mal darauf ein, dass wir eine weitere Nacht hier im Gasthof verbringen werden.«
    »Was? Wieso das denn?« Die Nachricht traf Sandra wie die Ohrfeige der Mutter, der sie bei Mikes Festnahme so knapp ausgewichen war.
    »Wir müssen die Oberhausers noch einmal befragen, auch die Angestellten und die Stammgäste.«
    »Wieso? Was versprichst du dir davon?«
    »Ich werde das Gefühl nicht los, dass uns Mike die Wahrheit gesagt hat.«
    Sandra sah ihn verblüfft an.
    »Vielleicht hat sich ja wirklich jemand anders für ihn ausgegeben und sein Foto hochgeladen«, meinte er.
    »Aber warum sollte das jemand tun?«
    »Das weiß ich nicht. Noch nicht. Aber schau selbst: Dieses Foto könnte doch in der ›Goldenen Gans‹ geschossen worden sein.«
    Sandra betrachtete das Abbild ihres Halbbruders, das sie in deutlich schlechterer Auflösung bereits von der Webseite kannte. Bergmann hatte es inzwischen von den Kriminaltechnikern in Graz bearbeiten und vergrößern lassen. »Besser geht’s leider nicht«, kommentierte er das Ergebnis.
    »Die Holzpaneele an der Wand, das Bild da im Hintergrund … es ist zwar noch immer nicht viel darauf zu erkennen, aber das hier könnte das Foto von den Prangschützen sein.« Sandra deutete auf einen bunten Fleck neben Mikes linkem Ohr.
    »Wie meinen?«, fragte Bergmann.
    »Na, die Prangschützen beim Samson-Umzug.«
    Bergmann sah Sandra noch immer verständnislos an. »Nie gehört von.«
    »Hätt ich mir denken können. Pass auf: Zweimal im Jahr findet in Krakaudorf, ganz in der Nähe von hier, der Samson-Umzug statt. Zu Fronleichnam und zu St. Oswaldi im August«, erklärte sie, »ein Mann trägt die sechs Meter große, an die 70 Kilo schwere Holzfigur auf seinen Schultern durch den Ort, begleitet von den Prangschützen in ihren französischen Uniformen.«
    »Wieso denn französisch und nicht steirisch?«
    »Die Legende sagt, dass der erste französische Soldat unter Napoleons Führung bereits vor der Ortsgrenze von den wehrhaften Bauern verjagt wurde. Seine Uniform scheint jedoch Eindruck hinterlassen zu haben. Deshalb tragen die Prangschützen heute noch die Grenadieruniformen und Braunfellmützen bei den Samson-Umzügen.«
    »Und wozu soll das ganze Theater überhaupt gut sein?«
    »Mein Gott, das ist gelebtes Brauchtum. Der Hauptmann der Prangschützen bittet mit jeder Ehrensalve um Spenden, und der Samson tanzt dafür zur Blasmusik.«
    »Von mir aus. Das Bild im Hintergrund kommt dir also bekannt vor?«
    »Ein solches Bild hängt jedenfalls in Mizzis Gaststube. Mikes Foto könnte davor aufgenommen worden sein. Alle Achtung, Sascha – gutes Auge«, lobte Sandra den Kollegen. Den Wahrheitsgehalt von Mikes Aussage zweifelte sie jedoch immer noch an. Wünschte sie sich am Ende gar, dass ihr Halbbruder log, damit er für längere Zeit aus ihrem Leben verschwand?
    Bergmann ließ ihr keine Zeit, um über eine Antwort nachzudenken. »Du bist also bereit, eine weitere Nacht mit mir im Gasthof zu verbringen?«, beliebte er wieder einmal zu scherzen.
    Sandra seufzte und willigte schweren Herzens ein: »Noch eine Nacht in der ›Goldenen Gans‹ … na, gut. Vielleicht kann sich dort tatsächlich jemand erinnern, ob, wann und von wem dieses Foto in der Gaststube aufgenommen wurde.« Eine weitere Nacht in St. Raphael verbringen zu müssen, erschien ihr nach dem heutigen Vormittag die Fortsetzung eines Albtraums zu sein, aus dem sie spätestens morgen zu erwachen hoffte. Noch ein paar Stunden länger hierzubleiben, war jedenfalls leichter zu ertragen als die Vorstellung, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zurückkehren zu müssen.
     
    Eine halbe Stunde danach servierte die Pächterin der Binderalmhütte ein großes Holzbrett, auf dem sich verschiedene Würste, Speck, kalter Schweinsbraten, Geselchtes, Essiggurken, Senf und der obligate steirische Kren türmten. Dazu brachte ihnen Rosi zwei große Gläser Apfelmost. Sandra griff voller Heißhunger zu einem geselchten Würstel, tauchte dieses in den frisch geriebenen Kren und

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