Steirerherz
Bergmann ernst und nahm
einen weiteren Schluck von seinem Kaffee.
»Offenbar wurde die junge Frau gepfählt
und auf dem Kürbisacker ihres Vaters aufgestellt.«
»Gepfählt? Auweia«, entkam es ihm,
»das klingt aber übel. Was wissen wir sonst noch?«
»Noch nicht viel. Außer, dass ausgerechnet
ihr Vater, ein Biogemüsebauer, die Leiche morgens gegen halb sieben bei den Kürbissen
entdeckt hat. Der psychosoziale Notdienst ist bereits vor Ort und kümmert sich um
sie.«
»Um die Kürbisse?«
»Um die Familie, Himmelherrgott,
Sascha!«
»Jetzt übertreibst du aber«, meinte
er trocken.
Sandra warf ihm einen fragenden
Blick zu, den Bergmann mit einem Grinsen beantwortete. »Na, wie ein Gott fühle ich
mich nun nicht gerade«, erläuterte er ihr die verborgene Komik in ihrer letzten
Aussage.
Sandra verdrehte genervt die Augen,
während Bergmann den restlichen Kaffee in einem Zug hinunterstürzte und den leeren
Pappbecher in die Mittelkonsole steckte. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust,
schloss die Augen und döste ein. Sandra war erleichtert, dass er fortan schwieg.
Es war wirklich noch viel zu früh für seine dämlichen Scherze.
Die Baustellen ließ Sandra im vorgeschriebenen
reduzierten Tempo, aber ohne nennenswerte Verzögerungen, hinter sich. Sie war heilfroh,
dass sie sich so sehr beeilt hatte, aus der Stadt hinauszukommen.
Kurz nach acht Uhr trafen die beiden
Kriminalpolizisten auf die Straßensperre, die die uniformierten Kollegen auf der
Landstraße errichtet hatten, um Schaulustige vom Einsatzort fernzuhalten. Von der
Anhöhe aus war nichts zu erkennen als übermannshohe Maisstauden, die links und rechts
entlang der Straße emporragten. Erst nachdem Sandra die lang gezogene Kurve passiert
hatte, die in sanftem Gefälle hinabführte, erblickte sie den Schauplatz des Verbrechens.
Hätte sie nicht gewusst, dass die Figur dort unten keine Vogelscheuche war, die
über den Kürbisacker wachte, wären ihr nur die vielen Menschen und Fahrzeuge aufgefallen,
die den friedlichen Anblick der Felder in der gleißenden Morgensonne störten. So
aber jagte ihr das Bild der Leiche mit dem breitkrempigen Sonnenhut, die von heroben
aus betrachtet etwa einen Meter über dem Boden zu schweben schien, eine Gänsehaut
über den Rücken. An manches gewöhnte man sich einfach nie, selbst wenn man noch
so lange bei der Mordgruppe arbeitete. Kein Wunder, dass einige Kollegen regelmäßig
zur Flasche griffen, um das Erlebte zu verdrängen. Oder auch zu anderen Drogen.
Sachte bremste Sandra den Wagen ab und stieß Bergmann mit dem Ellenbogen an. »Sascha!
Wir sind da. Jetzt wach schon auf!«
Bergmann schreckte hoch und rieb
sich die Augen.
»Dort unten ist unser Opfer.« Sandra
deutete auf die leblose Gestalt in der Talsenke, während Bergmann gähnte. »Ich seh’s.
Und worauf wartest du noch?«, meinte er scheinbar unbeeindruckt und streckte den
Rücken durch.
Sandra stellte den Wagen etwa 300
Meter weiter unten am Straßenrand ab. An die 50 Meter trennten sie jetzt noch von
der Leiche, die soeben von einem der Tatortermittler fotografiert wurde. Etwas steifer
als sonst schlüpfte sie unter dem Polizeiabsperrband hindurch und näherte sich dem
toten Mädchen, dessen Arme oberhalb der Ellenbogen und an den Handgelenken mit breitem,
schwarzem Klebeband an einem Stock hinter dem Rücken befestigt waren, sodass diese
fast waagrecht zur Seite standen. Die feingliedrigen Hände der jungen Frau gehorchten
hingegen der Schwerkraft und hingen herab, genauso wie der vornübergebeugte Kopf
mit dem Strohhut, der ihr Gesicht verbarg. Die schweren dunkelbraunen Locken, die
über Brust und Schultern fielen, bewegten sich kaum in der frischen Morgenbrise.
Im Gegensatz zu dem duftig-leichten Rock des rosa geblümten Chiffonkleides, der
sanft um die Knie der Toten wehte. Sandra zog die Einweghandschuhe an und trat noch
näher an die Leiche heran, um den Unterleib, der sich auf ihrer Augenhöhe befand,
genauer zu inspizieren. Wie gut, dass sie noch nichts gegessen hatte, denn augenblicklich
drehte sich ihr der Magen um. Es war viel Blut den Holzpfahl hinabgeronnen und im
Boden zwischen den Kürbissen versickert. Der Rest stank zum Himmel. Sandra wandte
sich ab, in der Hoffnung, den Brechreiz unterdrücken zu können. Ob die Frau gestorben
war, weil man ihr – wie im finstersten Mittelalter – einen Pfahl rektal in den Leib
gerammt hatte oder ob sie schon vor dem Pfählen getötet worden war, würde spätestens
der
Weitere Kostenlose Bücher