Steirerkind
der Fall?«
»Ich kann mich nur an zwei- oder dreimal erinnern.«
»Wann zuletzt?«
Katharina Knobloch überlegte.
»Zu Astrids Geburtstag – Anfang August.«
»Hatten Sie mit Tobias auch mal Streit?«
»Ich? Na ja, er hat schon mal mit mir rumgeschrien, wenn ihm etwas nicht gepasst hat. Er ist eben auch in der Familie der Superstar, der sich gern alles hinterhertragen lässt. Aber ich hab’s halt hingenommen. So oft ist er ja eh nicht da.«
»Sie mögen ihn nicht besonders?«
»Aber ja. Den Toby mag doch jeder«, versicherte Katharina Knobloch.
Kein Mensch wurde von jedem gemocht, dachte Sandra. Schon gar kein großspuriger Superstar. Die meisten bewunderten Tobias Autischer vielleicht für seine sportlichen Leistungen, manche sonnten sich sogar in seinem Erfolg. Doch blieb dieser erst einmal aus, würde sich rasch zeigen, wer den Burschen wirklich mochte.
»Bitte reden Sie mit niemandem über die Brieftasche, bevor wir nicht geklärt haben, wie sie in das Bett gekommen ist«, sagte Sandra. »Wir wollen Ihren Schwager doch nicht vorverurteilen und ihm damit schaden.«
»Ich halt meine Gosch’n. Das hab ich Ihrer Kollegin am Telefon schon versprochen«, erwiderte das rotwangige Mädchen mit den wasserblauen Augen.
Irgendwie wirkte sie heute lebendiger und hübscher, als Sandra sie in Erinnerung hatte. Ob das am Dirndl lag, das ihrem Babyspeck weibliche Kurven verlieh? Dass auch Bergmann sie an diesem Tag anders wahrnahm, verriet der eine oder andere Blick auf ihr Dekolletee, was die junge Frau nicht zu bemerken schien.
»Was passiert denn nun mit dem Toby?«, fragte sie.
»Wir werden ihn noch einmal ausführlich befragen«, antwortete Sandra.
»Muss er ins Gefängnis?«
»Das kommt ganz darauf an«, meinte Sandra wenig konkret.
»Sagen Sie ihm bitte nicht, dass ich die Brieftasche bei ihm gefunden hab.«
»Warum nicht?«
»Ich möchte nicht, dass er bös auf mich ist. Vielleicht gibt es ja eine völlig harmlose Erklärung dafür. Und ich hab die Brieftasche ja auch nicht absichtlich gefunden.«
Auf die Erklärung, wie die Brieftasche des Opfers in das Bett des Skirennläufers gelangt war, war Sandra mehr als gespannt. Dass es dafür eine harmlose Begründung gab, bezweifelte sie.
»Machen Sie sich mal keine Sorgen«, beruhigte sie Katharina Knobloch. »Nicht Sie haben einen Fehler begangen, sondern er, wie es aussieht. Dass Sie die Brieftasche gefunden haben, wird er von uns nicht erfahren.«
Die Kellnerin bedankte sich, und Sandra ließ sie zurück an die Arbeit gehen. Mit spitzen Fingern drehte sie den Schlüssel um und drückte die Türschnalle möglichst vorsichtig hinunter, obwohl die Fingerabdrücke dort vermutlich ohnehin unbrauchbar waren, wie an fast allen stark frequentierten Stellen, an denen ein Abdruck den anderen überlagerte und meist verschmierte.
Bergmann betrat, ebenfalls in Schutzkleidung, hinter Sandra die Wohnung des Skirennläufers. Der erwartete rustikale Stil, der im Gasthaus und an der Rezeption vorherrschte, fehlte hier gänzlich. Stattdessen überraschten die hellen Wohnräume mit urbanem Lounge-Stil, der von weißen, hochglänzenden Lackmöbeln und Akzenten in Erdtönen geprägt war.
Das Badezimmer war ebenso hochwertig wie modern ausgestattet. Die naturgrauen Schieferfliesen waren quer auf Boden und Wänden verlegt, die Sanitäreinrichtungen glänzten in Weiß und mit klaren Linien.
Eine Küche gab es in der Mansardenwohnung nicht. Nur einen Kühlschrank mit Getränken, jedoch ohne Alkohol, im Wohnzimmer. Tobias Autischer kam vermutlich in den Genuss der Restaurantküche, wenn er sich hier aufhielt.
Im Schlafzimmer hob Sandra an der genannten Stelle Polster und Spannleintuch hoch und fand sofort, wonach sie suchte.
»Machst du bitte mal ein Foto?«, sagte sie zu Bergmann und wartete, bis er den Fundort mit dem Smartphone fotografiert hatte. Dann klappte sie die schwarze Lederbrieftasche vorsichtig auf und sah zuerst nach den Karten. Unterhalb des Führerscheins im Scheckkartenformat, der Touringclub-Mitgliedskarte und den zwei Kreditkarten steckte jene Bankkarte, mit der am Tag zuvor Bargeld abgehoben worden war. Vom Geld selbst fehlte jede Spur. Außer ein paar Münzen, einem KFZ-Zulassungsschein für einen nigelnagelneuen Audi Q7, der erst seit 10.12. 2012 auf den Österreichischen Skiverband lief, der e-Card der Sozialversicherung, einer Waffenbesitzkarte für eine Glock 17 und einiger ÖSV-Visitenkarten, die auf ›Roman Wintersberger, ÖSV Alpin,
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