Steirerkind
bedürftigen oder unzufriedenen Eindruck gemacht.«
Bergmann zuckte mit den Schultern.
»Frag mal bei seinem Chef nach. Auch nach dem Trinkgeld, das so ungefähr herausschaut«, sagte er zu Miriam.
»Während der Saison ist das bestimmt eine ganze Menge«, erwiderte die. »Das weiß ich von Freunden, die in ähnlichen Bars in Tourismusregionen arbeiten.«
»Die Witwe hatte dasselbe Motiv wie ihr Sohn«, fuhr Bergmann fort. »Immerhin hat sie einen jungen Lover. Den muss man doch auch irgendwie erhalten.«
»Das ist doch ein dummes Klischee«, erwiderte Sandra. »Fitzners Friseursalon boomt angeblich.«
»Aber er pokert auch gerne. Vielleicht hat er Schulden. Soll ich mal beim Kreditschutzverband nachfragen?«, meldete sich Miriam zu Wort.
»Ja, bitte. Mach das«, sagte Sandra. »Und bei den Kollegen von der Soko Glücksspiel auch. Vielleicht haben die was über ihn. Trotzdem glaube ich nicht, dass Irene Wintersberger ihren Mann mitten in der Nacht an den Steirischen Bodensee gelockt hat. Sie hätte ihn doch mit ungleich weniger Aufwand zu Hause beseitigen können«, sagte Sandra. »Und hernach einen Einbruch vortäuschen. Oder vorgeben, dass sie ihren Mann irrtümlich mit seiner Waffe erschossen hat, weil sie ihn für einen Einbrecher gehalten hat. Das würde viel eher zu ihr passen«, mutmaßte Sandra.
»Vielleicht wollte Madame sich ihren Nobelschuppen nicht versauen«, meinte Miriam und nahm die steife Haltung einer Lady an. »Stellen Sie sich nur vor«, fuhr sie in gespreiztem Tonfall, ohne die sonst übliche oststeirische Aussprache, fort, »das viele Blut auf den hellen Minotti-Möbeln. Ts ts ts …«
Bergmann grinste über das manierierte Getue der jungen Kollegin.
»Du kannst ja richtig Hochdeutsch sprechen«, foppte er sie.
Miriam grinste den Wiener, der sich über ihren Dialekt oft lustig machte, säuerlich an.
»Und woher weißt du von den hellen Minotti-Möbeln? Du warst doch gar nicht mit uns bei ›Reich und Schön‹«, meinte Bergmann.
»Von den Fotos aus der Fahndungsakte«, half Miriam seinem Gedächtnis auf die Sprünge.
»Ach ja, richtig. Daran hab ich gar nicht mehr gedacht«, gab Bergmann zu.
Wie denn auch?, fragte sich Sandra. Er hatte sich ja nicht die Mühe gemacht, die Fahndungsakte zu durchforsten, sondern hatte dies wie immer seinen Kolleginnen überlassen.
Wusste der Chefinspektor eigentlich, was er an ihnen hatte? Ein Lob aus seinem Mund wäre längst einmal fällig gewesen. Miriam hatte Sandra, die sie immer wieder aufs Neue motivierte. Aber wen hatte sie? Außer sich selbst?
»Bei Katharina Knobloch kann ich kein Mordmotiv entdecken. Und obwohl sie Zugang zu Autischers Appartement hatte, sehe ich keinen Grund, warum sie ihm die Schuld hätte zuschieben sollen«, sagte Bergmann.
»Weil es am einfachsten war«, meinte Sandra. »Aber ich glaube auch, dass sie uns die Wahrheit gesagt hat. Veronika Zwinz scheidet für mich ebenfalls aus. So wie Astrid Knobloch. Die hat den Wintersberger doch noch immer vergöttert, wenn ihr mich fragt. Die hätte ihn nie und nimmer umgebracht.«
»Albert Kronthaler könnte unser Mann sein. Er war Wintersbergers Intimfeind. Und er hat noch dazu die Chance, vom Ausfall des WM-Favoriten zu profitieren«, sagte Bergmann.
»Aber nur unwesentlich«, warf Miriam ein. »Ob er der 26. oder 27. in einem WM-Rennen wird, ist doch wohl ziemlich wurscht.«
»Stimmt. Für eine Rückkehr in die österreichische Mannschaft ist es auch viel zu spät. Am Ende dieser Saison will er angeblich seinen Abschied als Rennläufer bekanntgeben. Darüber hinaus hat er ein wasserdichtes Alibi. Nicht nur die Aussage seiner Familie, auch die Zahlungsbelege von der Tankstelle und der Autobahnraststation sprechen für seine Unschuld«, ergänzte Sandra.
»Nein, meine Damen, ich zweifle nicht wirklich daran, dass wir mit Tobias Autischer den richtigen Mann eingebuchtet haben«, zog Bergmann seine Schlüsse.
»Ich aber …«, meinte Miriam bockig.
Bergmann runzelte die Stirn, verzichtete jedoch auf einen Kommentar.
Dass ihr Bauchgefühl der Kollegin recht gab, behielt Sandra an dieser Stelle lieber für sich. Wie in jedem Fall zählten auch hier die Fakten, und die sprachen derzeit für das Gegenteil, sonst würde Tobias Autischer nicht in Untersuchungshaft sitzen. Und Bergmann hätte nicht gegen den Druck von außen und von oben ankämpfen müssen, der nur der Prominenz des Inhaftierten zuzuschreiben war. Sandra war sich fast sicher, dass die Ermittlungen bei
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