Steirerkind
noch viel mehr. Wenn Bergmann mit seiner Unterstellung richtig lag, hatte Werner Knobloch ebenfalls ein starkes Motiv, aber kein Alibi, und mit dem Schlüssel seiner Frau oder aus dem Putzkammerl jederzeit Zutritt zu Tobias Autischers Wohnung gehabt. Doch warum sollte er ausgerechnet seinen Schwager mit der Tat belasten?
»Wie ist denn das Verhältnis zwischen Ihrem Mann und Ihrem Bruder?«, fragte Sandra.
»Ausgezeichnet. Wenn nicht gerade der Roman in Tobys Nähe war.«
»Hatten die beiden oft Streit wegen Roman Wintersberger?«
Astrid Knobloch verneinte.
»Er war überhaupt kein Thema zwischen den beiden. Mein Mann hat den Roman beharrlich ignoriert. Er hat es sogar vermieden, seinen Namen in den Mund zu nehmen.«
»Er hat Herrn Wintersberger also totgeschwiegen, anstatt ihn zu erschießen«, meinte Bergmann süffisant.
Astrid Knobloch sah den Chefinspektor irritiert an, schwieg aber.
»Weiß Irene Wintersberger von dem Verhältnis, das Sie mit ihrem Mann hatten?«, fuhr Bergmann fort.
»Die Irene hat es nie erfahren, glaub ich. Sie hat sich jedenfalls nie was anmerken lassen oder mich gar darauf angesprochen, wenn wir uns über den Weg gelaufen sind.«
»Wann war das denn zum letzten Mal der Fall? Und wo?«
Astrid Knobloch überlegte eine Weile, ehe sie fortfuhr.
»Das muss im November gewesen sein. Wir haben uns ganz zufällig beim Friseur in Schladming getroffen.«
»Bei Gregor Fitzner?«
»Ja, genau.« Astrid Knobloch senkte den Blick. Ihre Antwort auf den Volltreffer des Chefinspektors hatte keineswegs verwundert geklungen, obgleich es in Schladming doch mehrere Friseursalons gab.
Sandra schloss aus ihrer Reaktion, dass die Wirtin vom Verhältnis der Wintersberger mit dem jungen Starfigaro schon gehört hatte. Sie danach zu fragen, ersparte sie sich jedoch. Für die Ermittlungen brachte es nichts, und Tratsch und Klatsch mussten nicht noch zusätzlich geschürt werden. Schließlich gab es auch ein Leben nach den Ermittlungen.
Streng genommen, war auch Irene Wintersberger noch nicht aus dem Schneider, überlegte Sandra weiter. Lediglich das Alibi ihres Lovers war von dessen Pokerkumpanen bestätigt worden. Dass sie selbst in jener Nacht zu Hause geblieben war, nachdem ihre Freundin gegangen war, konnte niemand bezeugen. Wegfahren hatte sie aber auch keiner gesehen. Den Nachbarn war nichts aufgefallen. Sandra stellte sich dieselbe Frage wie schon zuvor beim Fischerwirt: Warum sollte sie ausgerechnet Tobias Autischer belasten? Und wie vor allem hätte sie das unbemerkt anstellen sollen?
Solange die Ermittler keinen glaubwürdigen Hinweis fanden, dass Pistole und Brieftasche des Mordopfers durch einen anderen als Tobias Autischer selbst in dessen Wohnung gelangt waren, sah es nach wie vor düster für ihn aus. Es sei denn, sein Anwalt konnte den Richter mit berechtigten Zweifeln überzeugen.
»Wusste sonst noch jemand von Ihrem Verhältnis zu Roman Wintersberger? Ihre Schwägerin Katharina vielleicht?«, fragte Sandra.
»Die Kathi? Nein. Die ist doch erst vor knapp drei Jahren zu uns gekommen, nachdem meine Mutter zu ihrer Schwester nach Gössenberg gezogen ist. Davor hat sie bei meiner Schwiegermutter, also bei ihrer Mutter, in Leibnitz gewohnt und in einem Betrieb im südsteirischen Weinland gearbeitet.«
»Und wie war das Verhältnis zwischen Tobias und Katharina?«, wollte Sandra wissen.
»Gut. Die beiden haben sich immer ganz gut verstanden, wenn der Toby da war. Er ist ja im Winter nur zu den Weihnachtsfeiertagen zu Hause. Gleich danach geht der Weltcup wieder weiter. Erst im Frühjahr kommt mein Bruder für ein paar Wochen heim, wenn er nicht auf Urlaub fährt, um sich von den Strapazen des Winters zu erholen. Spätestens im Mai beginnt ja dann schon wieder das Sommertraining, das bis zum Saisonstart im Oktober geht. Dazwischen fliegt er mit der Mannschaft ans andere Ende der Welt, um dort auf Schnee zu trainieren.«
Sandra mochte sich gar nicht vorstellen, noch mehr Tage pro Jahr bei winterlichen Temperaturen zu verbringen, als es in Österreich ohnehin schon gab. Wenngleich auch die kalte Jahreszeit ihre Reize hatte, waren es für ihren Geschmack doch viel zu wenige warme Tage im Jahr.
»Was ist mit Veronika Zwinz? Wie ist sie zu Roman Wintersberger gestanden? Und zu Ihrem Bruder Tobias?«, kehrte sie zum Fall zurück.
»Die Vroni ist die gute Seele des Hauses. Sie arbeitet schon seit 15 Jahren bei uns und hat in dieser Zeit noch nie ein böses Wort über irgendjemand verloren
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