Steirerkind
Stehenbleiben!«, rief sie der Passantin auf dem Gehsteig zu. Schon schoss ein schwarzer Range Rover aus der Einfahrt, der die Frau um Haaresbreite überfahren hätte. Nur Bruchteile von Sekunden und Sandras Warnung hatten sie vor einem Unglück bewahrt.
Wie ein Irrer raste der schwarze Geländewagen hinaus auf die Straße und zwang einen herannahenden Golf zu einem abrupten Bremsmanöver. Beinahe hätte es gekracht. Der Golffahrer hupte, obwohl es dafür längst zu spät war.
Sandra rannte weiter zum Dienstwagen, der nur wenige Meter entfernt parkte. Sie sah noch, wie der Range Rover Evoque nach rechts abbog. Dann sprang sie in den Passat.
»Was ist los?«, fragte Bergmann.
»Hol das Blaulicht hervor und schnall dich an!« Sandra hatte den Wagen bereits gestartet.
»Mein Rücken …«, jammerte Bergmann.
»Scheiße!« Seine Rückenschmerzen hatte Sandra im Eifer des Gefechts ganz vergessen. Sie griff auf die Rückbank und erwischte das Blaulicht.
»Fitzner ist mir abgeposcht.« Durchs geöffnete Fenster fixierte sie das Signallicht auf dem Autodach. Dann manövrierte sie den Wagen aus der Parklücke.
»Aua!«, beschwerte sich Bergmann lautstark.
»Auf deinen Rücken kann ich jetzt leider keine Rücksicht nehmen, Sascha. Was ist? Bist du angeschnallt?«
»Ja. Au!«
Sandra trat aufs Gaspedal.
»Bitte Sascha, hör jetzt auf rumzurearn! Es hilft doch nichts. Wir müssen den Typ schnappen«, schnauzte sie den Chefinspektor an.
Bergmann schloss die Augen und schluckte hart.
Da musste er jetzt durch, dachte Sandra. Es war offensichtlich, dass er Schmerzen hatte, aber sterben würde er bestimmt nicht daran.
»Kannst du wenigstens Verstärkung anfordern?«, fragte sie.
Er blinzelte und nickte zaghaft.
Sandra bog nach rechts ab und sah gerade noch, wie der schwarze Geländewagen aus dem Kreisverkehr in die Rohrmoosstraße fuhr. Vermutlich versuchte sich Fitzner in vertraute heimatliche Gefilde zu flüchten, überlegte sie.
»Er fährt in Richtung Rohrmoos«, ergänzte sie, während Bergmann über Funk Verstärkung anforderte. Wenigstens hatte er aufgehört, sich über seine Schmerzen zu beklagen. Doch bei jedem abrupten Fahrmanöver stöhnte er erneut auf. Leider ließ es sich bei einer Verfolgungsjagd durch Schladming nicht vermeiden, abzubremsen, wieder Gas zu geben, auszuweichen und da und dort über Bodenunebenheiten zu brettern. Dafür war Sandra inzwischen direkt hinter dem Fahrzeug angelangt, das sie verfolgte. Nach der nächsten Kurve wollte sie zum Überholen ansetzen, um Fitzner anschließend aufzuhalten. Der junge Mann war offenbar wahnsinnig. Er musste diese Straße doch in- und auswendig kennen! Warum fuhr er dann viel zu schnell in die langgezogene Kurve?
Sandra nahm Gas weg.
Der Wagen vor ihr schlingerte.
Sandra bremste.
Der Range Rover schoss wie ein Pfeil aufs Bankett, wo er, manövrierunfähig, frontal gegen einen Baum krachte.
»Setz einen Notruf ab!«, schrie Sandra und sprang aus dem Wagen, um die Unfallstelle abzusichern und nach dem Lenker zu sehen, dessen Fahrzeug mit geschätzten 110 Stundenkilometern ausgerechnet mit der Fahrerseite gegen den Baum geprallt war.
Fitzners Kopf ruhte seitlich auf dem Airbag. Er sah aus, als würde er schlafen. Nur dass Blut aus seinem Ohr tropfte, störte den beinahe friedlichen Anblick.
Sandra klopfte ans Fenster, rief mehrmals den Namen des bewusstlosen Mannes, der jedoch nicht reagierte. Dass sie die verzogene Fahrertür nicht aufbekommen würde, hatte sie befürchtet. Auch die anderen Türen ließen sich nicht öffnen. Obwohl die Zentralverriegelung diese nach dem Crash hätte freigeben müssen. Selbst mit der Brechstange hatte Sandra keine Chance. Wenn sie ein Fenster einschlug, würde sie den Verletzten auch nicht aus dem Wagen herausholen können, ohne ihm womöglich noch mehr Schaden zuzufügen. Und von Bergmann konnte sie in seinem erbärmlichen Zustand auch keine Hilfe erwarten.
Sandra blieb nichts anderes übrig, als auf die Einsatzkräfte zu warten, die Gregor Fitzner aus dem Fahrzeug bergen, erstversorgen und ins Krankenhaus bringen würden. Im Auto sprach sie schon mal Stichworte fürs Einsatzprotokoll ins Diktiergerät, solange die Eindrücke noch frisch waren. Bergmann hörte ihr in stocksteifer Haltung zu.
»Warum ist Fitzner denn geflüchtet?«, fragte er, als sie fertig war. »War das ein Schuldeingeständnis?«
»Möglich.«
»Könnte er von den Reserveschlüsseln im Putzkammerl gewusst haben?«
»Hoffentlich kann er uns
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