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Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition)

Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition)

Titel: Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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wo die Lehrerin mit offenem Mund an ihrem Pult saß. Mit der erstaunlich vollen Stimme eines Opernstars, der auch noch die letzte Reihe im zweiten Rang erreicht, stellte sich dieses zierliche Elfenkind in seinem Dior-for-Girls-Kleid Frau Heidekraut als Louise Siebert vor, früher Hamburg-Eppendorf, derzeit Berlin-Charlottenburg. Anschließend drehte sie sich zur Klasse, wobei sie darauf achtete, dass sie im Licht stand, und lächelte ihre Mitschüler an. «Ich bin sicher, hier finde ich tolle neue Freunde», posaunte sie.
    Träum weiter!
    Louise hatte kleine, weiße Zähne, schwarze Augen und Haare, so schwarz und glänzend, dass sie im Neonlicht bläulich schimmerten. Sie trug einen Pagenschnitt, gleiche Länge rundherum, vorn ein gerade geschnittener Pony. Stella fand, das Mädchen hatte eine unheimliche Ähnlichkeit mit einer uralten Porzellanpuppe, die ihr mal gehört und die sie in einem Wutanfall zerbrochen hatte. Stella drehte sich zu Mats. Dem hing, wie allen anderen Jungen auch, die Zunge seitlich aus dem Mund, wie bei einem Hund. Sie betrachtete die Mädchen. Ihre Münder waren alle zu einem «O» geformt, was so viel bedeutete wie: «Oh, oh, oh, haltet mir die bloß vom Hals.»
    Stella hatte eine gute Nase. Sie witterte eine ernsthafte Rivalin – und schluckte schwer.
     
    In der Schulkantine zog sich Louise einen Stuhl zu Mats heran. Niemand hatte sie eingeladen. Aber da war sie. Von nahem wirkte ihre elfenbeinfarbene Haut durchscheinend – wie auf den Kosmetikanzeigen in der
Apotheken-Gazette
aus der Apotheke von Stellas Mutter.
    Stella bot Max, wie immer, die Hälfte von ihrem Brot an. Es war mit Leberwurst bestrichen. «Bäh. Blöde, olle Leberwurst», sagte er, verzog das Gesicht und schielte auf das Sandwich von Louise.
    Louise bot Mats die Hälfte von ihrem Eiersalat-Sandwich an. «Hab ich selbst gemacht. Ist mit Curry.»
    «Mit Curry?»
    «Da ist ein ganzer Teelöffel indischer Muchi-Curry drin.» Sie reichte ihm das Sandwich. «Außerdem noch Sellerie plus Mayonnaise, zwei Teelöffel Zitronensaft, weißer Pfeffer, Cayenne und sehr, sehr viel Erfahrung.» Sie lächelte bescheiden.
    «Lecker!», sagte Mats, als er fertig war und sich die Lippen leckte. «Willst du am Samstag zu meiner Geburtstagsparty kommen?»
    «Willst du mich etwa für das Catering engagieren?», witzelte sie.
    Mats lachte.
    Stella war nicht begeistert. Sie war es gewohnt, das einzige Mädchen unter vielen Jungen zu sein. Ein kalter Wind wehte durch ein offenes Fenster herein und ließ sie bis auf die Knochen frösteln.
     
    «Wenn ich wollte, könnte ich auch ein Eiersalat-Sandwich machen», sagte Stella nach der Schule zu ihrer besten Freundin Julia aus Klasse 3 a.
    «Aber warum? Weil Louise welche macht? Deine Leberwurststullen sind prima.»
    Stella hörte nicht auf Julia. Am Abend machte sie den berühmten Russischen Eiersalat ihres Vaters: Sie kochte ein paar Eier ab, schnitt ein paar Frühlingszwiebeln in kleine Stücke, fügte Salz, Pfeffer, Senfpulver, Zucker, Mayonnaise, Wasser und Knoblauch hinzu – und sehr, sehr viel Erfahrung.
    Am nächsten Tag bot Stella Mats mittags ihr halbes Sandwich an.
    «Eiersalat?», sagte er. «Bäh! Eiersalat hatte ich schon gestern.»
    «Ich habe heute Leberwurst», sagte Louise und bot Mats ihr halbes Brot an.
    «Mm, Leberwurst», sagte er und hob das Brot an den Mund.
    Louise schüttelte entzückt den Kopf und sah zu, wie Mats ihr Leberwurstbrot verschlang. Ihr schwarzes Haar, das so glatt und perfekt war, wippte sanft vor und zurück.
    «Deine Haare!», sagte Mats beeindruckt. «Die sind … echt cool!»
     
    «Wenn ich wollte, könnte ich auch glatte Haare haben», sagte Stella nach der Schule zu ihrer Freundin Julia aus Klasse 3 a. Stella zog an ihren Locken.
    «Aber warum? Weil Louise welches hat? Deine Haare sind doch schön so, wie sie sind.»
    Stella hörte nicht auf Julia. Am Abend stellte sie das Bügelbrett auf, schaltete das Eisen an und bat ihren Bruder Marco, ihr die Haare glatt zu bügeln. Ihre Mutter war in der Apotheke und ihr Vater im Tonstudio, sonst hätten sie die Kinder vielleicht aufgehalten, bevor Stellas Haare anfingen zu qualmen. Leider waren sie nicht zu Hause.
    Am nächsten Tag folgte Stella überallhin der Geruch von versengtem Haar. Als sie sich beim Mittagessen vorbeugte, um ihr Getränk zu nehmen, fielen kleine verbrutzelte Lockenreste in Mats’ Apfelmus. Louise lachte wie verrückt. Sie konnte gar nicht damit aufhören. Ihr Lachen war genau wie

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