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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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war, war kein Trost. Im Gegenteil, ich fühlte mich ziemlich ratlos.
    War er zu den Stricherinnen zurückgekehrt, weil ihm die ursprüngliche Absicht, sich nur Appetit zu holen, heute nicht genügt hatte?
    Ich fuhr zurück zum Parkplatz Zoo. Eine der Nutten sprang aus dem Schlagschatten der Bäume direkt auf mich zu, eine andere trommelte, als ich nicht anhalten wollte, auf mein Wagendach, eine dritte zeigte mir ihr Hinterteil. Huschende Gestalten wie auf einem Wildwechsel. Grell geschminkte Augen, rüde Handbewegungen und der eine oder andere Rat, von denen die Aufforderung, mich selbst ins Knie zu ficken, noch die harmloseste war. Ich linste durch die Baumreihen, versuchte zu erkennen, welche Autos noch so ihre Runden drehten. Es war zwecklos. Gegen den Laternenschein von der Straße waren lediglich die Umrisse der Fahrer zu erkennen und nicht einmal die Fahrzeugtypen. Schließlich fuhr ich noch einmal an der Stelle vorbei, wo Irene bei ihrer ersten Verfolgungsfahrt gewartet hatte.
    Der Platz war leer. Ich schaute in die Seitenstraßen. Nichts.
    Genau wie van Eicken blieb auch sie verschwunden.
    Irgendetwas war schief gelaufen.
    Ich überlegte, ob Irene, nachdem sie ihren Verfolgungstrieb ausgelebt hatte, einfach nach Hause gefahren war.
    Und dann kam mir noch ein anderer Gedanke.
    Plötzlich hatte ich es nicht nur eilig, ich hatte auch ein Ziel vor Augen.
    Ich hatte die Auffahrt am Uhlenhorst genommen, jetzt jagte ich über die A 3, wechselte auf die A 524 und dann war ich auch schon in Froschenteich. Meinen Wagen stellte ich zwischen den Büschen ab, die letzten Meter bis zu Irenes Haus ging, nein, rannte ich. Jede Minute konnte zählen.
    Aus dem Haus drang kein Licht. Ich schlich um den
    verwitterten Backsteinbau, lauschte an den Fenstern, an der Eingangstür sowie an einer weiteren Tür, die sich hinten am Haus befand. Keine Stimmen, kein Geräusch. Ich war geneigt, noch einmal in das Haus einzudringen, ließ es dann aber.
    Warum sollte ich etwas riskieren? Jetzt, da mein Jagdfieber nachließ, meldete sich auch die Vernunft wieder. Kelian hatte mich engagiert, na schön, Berufsehre, ihn galt es zu beschützen
    – was aber hatte ich mit van Eicken zu tun?
    Ich beschloss, nach Hause zu fahren. Und weil ich jetzt Zeit hatte, ließ ich die Autobahn rechts liegen.
    Der Wald im Duisburger Süden war im Sommer ein beliebter Ausflugsort für Familien, aber auch für Liebespaare, die es im Freien treiben wollten. Es gab Rundwege für Wanderer, einen kleinen See, den Entenfang, wo man Ruderboote mieten und anschließend eine Currywurst essen konnte. Wer sich auskannte, fand zwischen den Bäumen eine kirchliche Tagungsstätte und nicht weit von dieser, als benötigten die Huren Gottes Segen, eine Art ambulantes Bordell, wo Prostituierte aus Osteuropa in Wohnwagen und Baufahrzeugen anschafften.
    Im Sommer traf man Spaziergänger, die diese oder eben jene Freizeitbeschäftigung suchten. Im Winter hingegen lagen die vielen Nebenwege nahezu verlassen und die asphaltierte Durchgangsstraße wurde eigentlich nur von Menschen befahren, die, wie ich jetzt, diese Strecke als Abkürzung von der B 1 zu den Stadtteilen im Duisburger Süden nutzten.
    Schon von weitem sah ich das zuckende Blaulicht zwischen den Bäumen.
    44.
    Als ich näher kam, erfassten die Scheinwerfer meines Wagens die rot-weißen Plastikbänder, die einen Parkplatz absperrten.
    Hinter der Absperrung bemerkte ich Polizisten in Uniform und Leute in Zivil, die ich ebenfalls für Polizeibeamte hielt.
    Männer der Spurensicherung stellten Schildchen mit Nummern auf, Blitzlichter erhellten die Szene, ein Auto mit Martinshorn nahte.
    Vor der Polizeiabsperrung standen ein paar Männer, einer von ihnen in Gummistiefeln und Bundeswehrparka,
    wahrscheinlich die ersten Gaffer.
    Ich stoppte den Motor, stieg aus und trat an den Typen mit dem Parka heran.
    »Hat’s einen erwischt?«, fragte ich aus dem Mundwinkel.
    »Kann man wohl sagen«, er fuhr sich mit dem Daumennagel über die Kehle. »Blut, überall Blut.«
    »Tatsache? Ich sehe aber gar nichts, nur einen Wagen?«
    »Der Freier liegt auf der Rückbank von dem fetten Volvo da, mit seinem abgeschnittenen Schwanz im Maul wie ‘ne verdammte Zigarre.«
    Mir wurde ganz flau im Magen. »Woher wissen Sie das eigentlich so genau?«
    »War doch dran am Auto, bevor hier alles abgesperrt wurde, mit meinem Kumpel, der wird gerade von den Polypen ausgequetscht. Wir arbeiten da hinten im Wald.« Er griff sich ans Geschlecht. »Ist

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