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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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‘ne Sauerei, war bestimmt die Mafia.«
    »Welche?«
    »Na, die russische.«
    »Ach ja! Aber benutzt die nicht Kalaschnikows?«
    »Auch! Kennt man doch…«
    Es gab Leute, die angesichts eines solchen Vorfalls verstummten, und andere, die redeten wie ein Wasserfall.
    »Sonst noch was gesehen?« Das war mir so rausgerutscht, ein Rückfall in alte Polizeimanieren.
    Der Mann reagierte sofort: »He, Sportsfreund, was soll das?«
    Er blickte mich von der Seite an. »Wir haben einen Waldlauf gemacht, mein Kumpel und ich.«
    Waldlauf um diese Uhrzeit, bei Dunkelheit, mit solchem Schuhwerk – seine Gummistiefel waren voller Matsch – und mit einer Bierfahne, die ihm meilenweit vorausflatterte. Ich tippte, dass ich einen dieser Feierabendspanner vor mir hatte: Pornos in der Baubude, Dosenbier und dann kommt einer auf die Idee, mal schauen, ob es da im Wald nicht was zu linsen gibt.
    Ein Rettungswagen raste heran, gefolgt von einem zivilen Polizeiwagen. Die Sanitäter rissen die Hecktür vom Transporter auf und holten eine Trage heraus. Als die Türen des Polizeiwagens aufgestoßen wurden, fiel die
    Innenbeleuchtung auf zwei Gestalten in Wintermänteln, einen der Männer kannte ich. Es war Hauptkommissar Tepass.
    Meinem Lieblingsfeind wollte ich keinesfalls begegnen. Die Antworten zu meinem Alibi im ersten Mordfall waren noch offen. Und ein paar alte Rechnungen sowieso. Zeit, dass ich von der Bildfläche verschwand. In Kürze würde es von Leuten, die dem Klang des Martinshorns gefolgt waren, nur so wimmeln, die üblichen Schaulustigen, Fernsehheinis vom Regionalsender mit ihren Kameras, Reporter mit Blitzlicht, Block und Bleistift. Von Tom Becker wusste ich, dass er einen guten Draht zur lokalen Polizeistelle hatte, ihn konnte ich morgen nach Einzelheiten fragen, auch nach solchen, die womöglich nicht in seinem Bericht auftauchten.
    Als Gegenleistung würde ich ihm auf einem Stadtplan drei Stellen markieren: Hier an Punkt eins, Herr Becker, wurde Yannick Gorgas vor einem Jahr bei einem Unfall getötet. An Punkt zwei wurde vor wenigen Tagen dem zwielichtigen Händler Arno Schopinski der Kopf nahezu abgetrennt und hier, an Punkt drei, hat es gestern Nacht den Chef von Radio Vital erwischt.
    Denn dass er die Leiche auf der Rückbank des Volvo war, daran zweifelte ich nicht.
    »Und wer hat ihn umgebracht?«, würde Tom Becker fragen.
    »Irene Gorgas, sie hat auch diesen Schopper auf dem Gewissen, weil der ihren Mann verbluten ließ oder ihn sogar wegen irgendeiner alten Sache zunächst absichtlich gerammt und ihm anschließend mit der Glasscherbe, die in Ihrem Bericht erwähnt wurde, die Halsschlagader durchtrennt hat.«
    »Also Rache. Und das Motiv bei van Eicken?«
    »Zugegeben, da liegt ein Problem. Halt, halt! Nur im Moment liegt es da noch, denn bald werde ich es
    herausfinden.«
    Tom Beckers Lachen klang mir jetzt schon in den Ohren.
    Es hatte wieder zu nieseln angefangen und die
    Scheibenwischer gaben den Takt vor: Das Motiv, warum? Das Motiv, warum?
    So erreichte ich mein Viertel. Aus den Fenstern der Tanzschule drang warmes gelbes Licht. Es gab mir das gute Gefühl, nicht allein im Haus zu sein. Wie üblich war die Haustür nicht abgeschlossen, im Flur hörte ich gedämpfte Stimmen und das rhythmische Stampfen von Füßen. Auch schön!
    Voller Elan nahm ich die Treppe zu meiner Etage – und stutzte. Vor meiner Wohnungstür lag ein Paket. Einfaches Packpapier, Kordel, keine Briefmarken.
    Und auch kein Absender. Ich legte das Paket auf den Tisch und schaltete den Computer ein. Wie erwartet hatte ich eine Nachricht in meinem Postfach:
    Hallo Schnüffler, das Päckchen schon geöffnet? Gefällt es Ihnen? Natürlich ist das nicht Ihr Messer, es ist nur ein ähnliches, das Original steckt noch in der Leiche. Viel Spaß in den nächsten Tagen!
    Handelte es sich hier, wie bei dem Witwenfoto vor dem frisch ausgehobenen Grab, um einen geschmacklosen Scherz? Oder gar um eine Briefbombe? Ich war auf alles gefasst. Sollte ich das Paket zur Polizei bringen mit der Bitte, es von Spezialisten untersuchen zu lassen?
    Meine Hände zitterten, als ich die Kordel und das
    Umschlagpapier löste. Holzwolle, Knackfolie – und dann, durch die Klarsichthülle hindurch, sah ich es. Das Messer.
    Und die Klinge war voll mit dunkelrotem Blut.
    Ich wusste, wem ich das Geschenk zu verdanken hatte. Und ich ahnte, dass sehr bald unangenehme Fragen auf mich zukommen würden.
    45.
    Der Schnitt ging knapp unter dem Kinn von einem Ohr zum anderen. Das

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