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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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rannte.
    Fotoapparat mit Teleobjektiv, das Handy war aufgeladen, noch ein Griff zum Stiefelschaft, wo ich das Ersatzmesser befestigt hatte, dann fuhr ich los. Eine halbe Stunde später traf ich vor dem Sender ein.
    Es dämmerte bereits, ohne dass es vorher überhaupt hell gewesen wäre.
    Irenes Opel hatte ich im Vorüberfahren gesehen. Diesmal stand ihr Wagen auf dem Vorplatz einer Tankstelle, sie selbst entdeckte ich im Verkaufsraum vor dem Regal mit den Zeitschriften. Durch mein Großwildteleobjektiv konnte ich erkennen, dass sie sich nicht für Frauenzeitschriften interessierte, sondern in einem Magazin für Bodybuilding blätterte. Mit dem Heft in der Hand ging sie zur Kasse, zahlte, verließ den Verkaufsraum, setzte sich in ihren Wagen und begann zu lesen.
    Genau wie ich blickte sie hin und wieder zum Eingang des Senders.
    Nach zwanzig Minuten kam Kelian die Treppe herunter. Auf dem Gehweg drehte er sich um und hob den Arm; es sah aus, als verabschiede er sich von jemandem hinter der Tür, doch ich war mir sicher, dass dieses Zeichen mir galt.
    Ich startete den Motor.
    Kelian stieg in seinen Wagen, einen Audi. Betont langsam, wohl um mir Zeit zu geben, fuhr er vom Parkplatz zur Straße.
    Ich legte den Gang ein, rollte auch schon an, als mir auffiel, dass Irene keinerlei Anstalten machte, dem Moderator von Radio Vital zu folgen.
    »Ich habe diese menschliche Klette heute vor dem Haus gesehen«, hatte Kelian mir vorhin noch am Telefon gesagt.
    »Na ja, ist nicht das erste Mal«, hatte ich entgegnet.
    »Aber sie hat mir gestern so eine seltsame Mail geschickt, etwas mit Wunde und gemeinsam, hört sich kraus an, ist aber eine Stelle aus Tristan und Isolde.« Trotz seines souveränen Tons war mir die Angst in seiner Stimme nicht entgangen.
    »Aha, eine neue Mail?«, hatte ich geheuchelt.
    Jetzt fuhr mein Klient die Ruhrorter Straße hoch. Auch ich trat auf das Gaspedal. Doch dann kämen mir Bedenken.
    Schließlich war ich ja hier, um ihn vor der Radioklette zu beschützen, die aber bewegte sich mit ihrem Opel keinen Meter.
    Ja? Nein? Und dann hatte ich mich entschieden. Ich zuckte zurück in meine Parklücke, während die Rücklichter von Kelians Wagen in Richtung Autobahnzufahrt A 40
    verschwanden.
    Wenn mir Zweifel kamen, ob ich mich richtig entschieden hatte, schaute ich hinüber zu Irene. Solange ich sie im Auge behielt, konnte nichts Schlimmes passieren.
    Die Straßenbahn Linie 901 rumpelte vorbei, nach zehn Minuten eine weitere. Die Scheiben in meinem Wagen beschlugen, eine wohltuende Müdigkeit überkam mich. Jetzt eine Zigarette rauchen! Es war einer dieser Momente, in denen ich bedauerte, dass ich neben dem Alkohol auch das Rauchen aufgegeben hatte. Wenn man gar nichts tat, dann half das Stäbchen, doch etwas zu tun, man rauchte. Ideal war es, um Unsicherheit zu kaschieren und ruhig zu werden, gut aber auch um, so wie jetzt, gegen die aufkommende Müdigkeit
    anzukämpfen.
    Mit einem Schlag war ich wieder hellwach.
    An Irenes Wagen waren die Scheinwerfer aufgeflammt und dann sah ich auch den Grund. Van Eicken, Kelians Chef, stand im Eingang des Senders. Das Licht des Portals spiegelte sich in einem schwarzen Koffer, den er sich über den Kopf hielt, weil es zu regnen begonnen hatte. Im Laufschritt überquerte er die Straße. Er stieg in seinen Volvo und verließ den Parkplatz.
    Irene fuhr hinter ihm her.
    43.
    Der Volvo vorne, der Opel Astra in geringem Abstand dahinter. Einmal riss mein Kontakt zu den beiden Wagen ab.
    Doch am Kaiserberg hatte ich sie dann wieder eingeholt. Ich war kein schlechter Fahrer, aber mehr noch half mir heute, dass ich van Eickens Wegstrecke bereits von der letzten Verfolgungsfahrt kannte. Und seine Vorliebe für die Mädels vom Parkplatz Zoo.
    Wieder fuhr er seine Runden zwischen den Bäumen. Nur dauerte es diesmal etwas länger, bis er vom Strich zurück auf die Straße kam. Und dann hatte er es auf einmal sehr eilig.
    Während ich hinter ihm herfuhr, überlegte ich, wo Irene geblieben war. Mein Passat Kombi war nicht das neueste Modell, graue Lackierung, nicht besonders gepflegt, aber auch nicht allzu schmutzig; ein weiterer Vorteil, neben seiner Unauffälligkeit, waren ein paar Extra-Pferdestärken, die Cetins Freunde aus dem Motor herausgekitzelt hatten. Dennoch konnte ich van Eickens Volvo nur mit Mühe folgen.
    Und in Speidorf verlor ich ihn dann ganz aus den Augen.
    Dass ich Irenes Opel noch immer nicht hatte entdecken können, van Eicken also auch diese Klette losgeworden

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