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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Tassen Tee. Normalerweise ließ ich mir dabei reichlich Zeit.
    Normalerweise. Heute war es anders. Während ich an der Teetasse nippte, verglich ich meine Aufzeichnungen. Der Mord an Schopper war auf den Tag ein Jahr nach dem Unfall von Yannick Gorgas geschehen. Eindeutig Irenes Racheakt, wenn die Polizei auch anderer Meinung war. Wenn ich die Bruchstücke der alten elektronischen Korrespondenz ernst nahm, konnte ich die neue Mail nicht als leere Drohung abtun.
    Wer sollte das Opferlamm sein? Ich? Und was jährte sich in nächster Zeit?
    Ich rief Kurt Heisterkamp an.
    Ein Mitarbeiter meldete sich, ich legte auf, versuchte es nach einiger Zeit wieder, da machte er Mittagspause, und noch einmal und endlich, inzwischen waren Stunden vergangen, bekam ich ihn an den Apparat.
    Ich stellte meine Fragen. Er telefonierte auf einer anderen Leitung und das Ergebnis unterschied sich nur in wenigen Details von dem, was ich bereits wusste: Ja, die Kollegen von der Polizei-Inspektion Süd, die hätten damals gegen einen gewissen Arno Schopinski wegen Fahrerflucht ermittelt, die Sache dann aber fallen gelassen, weil zwei seiner Angestellten sein Alibi bestätigt hatten. Nun, dass ein Alibi in Schoppers Kreisen lediglich eine Geldfrage war, hatte mir Irene schon unter die Nase gerieben. Ich hielt mich zurück, fragte Kurt stattdessen, ob es in den Unterlagen ein Datum gab, das sich in den nächsten Tagen jährte.
    Das Knurren, das Kurt ausstieß, konnte Zustimmung oder Ablehnung bedeuten. Nach zehn Minuten rief er zurück.
    »Also?«, mehr sagte er nicht, aber ich war mir sicher, dass er die Unterlagen vor sich liegen hatte. Ich fragte, ob es der Geburtstag von Yannick Gorgas sei, der sich näherte.
    »Der ist im Sommer. Negativ.«
    »Der Geburtstag seiner Frau?«
    »Negativ! Aber der Unfalltag, der war vor ziemlich genau einem Jahr.«
    Das wusste ich schon. »Kurt, gibt es irgendein anderes Datum, das sich in den nächsten Tagen jährt.«
    »Nee, oder doch, Moment mal.« Er schmauchte an seiner Pfeife, ich hörte, wie er den Sabber in den Papierkorb blies und anschließend den Pfeifenkopf ausschabte. Ich hätte ihn umbringen können. »So, Elmar!«
    »Was, bitte, Kurt, was?«
    »Ja, also, der Hochzeitstag.«
    »Wann? Nun rede schon!«
    »Morgen. Nee, Quatsch, heute. Ja, der ist heute. Willst du der Witwe Blumen bringen?«
    Ich legte auf, während er noch lachte; Kurt hatte seinen Spaß gehabt, seine kleine Biestigkeit, weil er glaubte, dass ich gemütlich beim späten Frühstück saß, während er schon Stunden in seinem Büro hockte.
    Heute war der Hochzeitstag, hatte er gesagt. Die Zeit wurde äußerst knapp.
    Mit einem Glockenton meldete mein Computer den Eingang einer neuen Mail. Sie kam von Cetin:
    Chefe, gelobt sei unser Spionageprogramm. Im Anhang finden Sie eine interessante Nachricht. Lesen und sofort löschen, für alle Fälle.
    Nachdem ich auf das Symbol geklickt hatte, öffnete sich die angehängte Mail:
    Lieber Gregor, Tristan! Die Wunde? Wo? Lass sie mich heilen! Dass wonnig und hehr die Nacht wir teilen… Isolde Die Nacht teilen – stand das für den Tod teilen? Wir? Sie und er? Für gefährlich hatte ich Irene Gorgas schon die ganze Zeit gehalten. Doch wenn mich nicht alles täuschte, war sie jetzt völlig durchgeknallt.
    42.
    Wenn es stimmte, was ich mir vorstellte, dann war nicht ich, sondern mein Klient in höchster Gefahr.
    Ich schaute auf die Zeitangabe in der rechten Bildschirmecke: 15:06 Uhr. Um fünf ging die Sonne unter. Blieben, wenn ich die Ankündigung ernst nahm und die Tat nicht schon am helllichten Tage passieren sollte, nur noch wenige Stunden.
    Höchste Zeit zum Handeln. Ich schaltete den Rechner aus und griff zum Telefonhörer.
    »Können wir uns treffen? Ich wollte etwas mit Ihnen bereden.«
    »Heute ist schlecht. Ich bin zugeschüttet mit Terminen.«
    »Ich dachte, nach Feierabend, Herr Kelian?«
    »Feierabend?«, wiederholte er, als hätte ich ein obszönes Wort ausgesprochen. »In etwa einer Stunde verlasse ich den Sender, ich muss zu einer Besprechung in die Zentrale nach Oberhausen. Wo brennt’s denn?«
    »Erkläre ich Ihnen später. Ich mache mich jetzt auf den Weg.
    Bleiben Sie im Haus, bis ich eintreffe, für den Fall, dass ich mich verspäte. Ich werde auf dem Parkplatz gegenüber auf Sie warten.«
    »Soll ich zu Ihnen an den Wagen kommen?«
    »Nein, ich fahre hinter Ihnen her.«
    Das Wichtigste war gesagt, auf ein längeres Gespräch ließ ich mich nicht ein. Die Zeit

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