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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Bild erinnerte mich an Cetins Schilderung von dem kopflosen Motorradfahrer. Mit dem Unterschied, dass bis auf eine rotschwarze Kruste von dem Blut nichts zu sehen war.
    Den Kopf der Leiche mussten die Mediziner wohl wieder in einen würdigeren Zustand gerückt haben, auch hatten sie Eickens Gesicht gewaschen und ihm die Augen zugedrückt.
    Blieb die Frage nach dem abgeschnittenen Penis, den der Waldarbeiter im Mund der Leiche gesehen hatte.
    Ein Mann in einem weißen Kittel stand neben der Bahre; sein Blick schweifte von den gekachelten Wänden zu den
    Seziertischen mit der Waage und den Schüsseln aus
    blinkendem Stahl zurück zu dem Toten. Er schien auf eine Anweisung des Kriminalbeamten zu warten, das Tuch, das den Leichnam bis zu den Schultern bedeckte, weiter
    zurückzuschlagen. Doch dieser Wink blieb aus.
    Im Gegenteil, Hauptkommissar Tepass, der sehr genau meine Reaktionen beobachtet hatte, machte sogar eine winzige ablehnende Bewegung: »Herr Mogge, ich habe gehört, dass Sie ein Experte für Schnittwunden sind. Auf was für eine Tatwaffe tippen Sie?«
    »Sense, Sichel, Rasiermesser, womöglich ein ostasiatischer Kris…«
    »Nicht ganz so exotisch, Herr Privatdetektiv. Ein normales Fleischmesser, wahrscheinlich aus Solingen.« Sein Finger schnellte vor: »Wo ist Ihres?«
    »Zu Hause in der Küchenschublade.«
    »Na schön. Was zu überprüfen wäre. Die Untersuchung an der Tatwaffe ist noch nicht abgeschlossen. Doch schon bald können wir mit dem Abgleichen der DNA-Muster verdächtiger Personen beginnen. Macht Ihnen das keine Sorge?«
    »Wieso sollte es?«
    »Es könnte Übereinstimmungen geben.«
    »Kaum.« Ich lächelte seine Krawatte mit dem Bärchenmuster an, das wohl Vertrauen erwecken sollte, und meine
    Sorglosigkeit war nicht einmal gespielt. Denn Vorrausetzung für einen solchen Test, sofern man nicht freiwillig daran teilnahm, waren erhebliche Vorstrafen und ein
    Richterbeschluss. »Soviel ich weiß, liegt von mir keine DNA-Probe vor.«
    »Noch nicht«, drohte er. »Andere Frage: Kennen Sie den Mann?«
    »Ja.«
    »Woher?«
    »Ich habe ihn mal im Sender Radio Vital gesehen.«
    »Wann?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Schwaches Gedächtnis?«
    »Nicht unbedingt.« Langsam wurde mir der Ton, den Tepass anschlug, zu dumm. Und wenn ich nicht bald den Raubeinigen rauskehrte, würde ich hier ganz schnell als Verdächtiger dastehen. »Fragen Sie mich doch mal, Herr Hauptkommissar, was ich am 11. September 2001 gemacht habe.«
    »Hä, warum denn das?«
    »Weil ich Ihnen genau sagen kann, wo ich mich damals aufgehalten habe und was ich getan habe, an diesem bewussten Tag, als das World Trade Center zusammenstürzte. So viel zu meinem Gedächtnis. Ich kann Ihnen auch sagen, was ich am 9.
    November 1989 gemacht habe, als die Berliner Mauer geöffnet wurde…«
    »Es reicht, Mogge.«
    »Herr Mogge, immer noch.«
    Er kam ganz dicht an mich heran, sodass ich seinen Atem riechen konnte, und flüsterte so leise, dass der Angestellte im Sektionssaal der Duisburger Kripo es nicht hören konnte: »Mal sehen, was von dem ›Herrn‹ noch übrig bleibt, wenn ich ihn erst mal in einer unserer Säuferzellen eingelocht habe.« Laut sagte er: »An jenen Tag, den Sie im Augenblick nicht benennen können, haben Sie van Eicken also zum ersten Mal gesehen. Und wann zum letzten Mal?«
    »Danach nicht mehr.«
    »Und wo waren Sie gestern?«
    »In meinem Büro.«
    »Den ganzen Tag?«
    »Nein.«
    »Zwischen siebzehn und zwanzig Uhr, wo waren Sie da?«
    Um fünf hatte van Eicken den Sender verlassen, zwischen sieben und acht war er wohl gefunden worden. Ich konnte nicht glauben, dass Tepass mich ernsthaft verdächtigte, war mir andererseits aber nicht sicher, ob er mich nicht aus anderen Gründen gerne für ein paar Tage aus dem Verkehr gezogen hätte. Zum einen wollte er mich weich kochen, um zu erfahren, was ich über den Mord an van Eicken wusste. Dies war der dienstliche Anlass, ich sollte ihn auf die richtige Spur bringen.
    Und zum anderen gab es noch den persönlichen Grund unserer Feindschaft.
    Tepass wurde langsam ungeduldig. Sollte ich zu meiner Entlastung die Bruchstücke der Mails anführen? Zwecklos!
    Die Fragen und Bedenken kannte ich im Voraus: Wo haben Sie die denn her? Schon mal was von Datenschutz gehört?
    Nicht einmal illegal auf Tonband aufgenommene Geständnisse waren vor Gericht zugelassen. Nein, so ging das nicht.
    Wir verließen den Kühlraum. Als wir die Vorhalle erreichten, wiederholte er seine Frage: »Herr

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