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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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voran, an der Kaffeeküche vorbei, an mehreren offenen Türen. Ich blickte in leere Büros, die letzte Live-Sendung war gelaufen. Der Rest des Abends wurde mit Musik aus der Konserve von der Zentrale des Kommerzsenders gefahren. Nur der Nachtredakteur saß an seinem Pult im Selbstfahrerstudio, den Rücken gegen den Stuhl gepresst, und telefonierte; wortlos reckte er uns den Daumen entgegen: gut gemacht, unterhaltsame Sendung, mal was anderes.
    Am Ende des Flurs gab es einen schlauchartigen Raum mit gepolsterter Tür, sparsam möbliert, wohl für Besprechungen gedacht. Aus einem Wandlautsprecher rieselte die Musik des Senders.
    Kaum war die Tür zu, fuhr Kelian mich an: »Was ist bloß in Sie gefahren?« Er steckte sich eine Zigarette an, inhalierte wie ein Nikotinsüchtiger nach langer Zwangspause.
    Ich lehnte mich mit der rechten Schulter gegen die Wand und kreuzte die Arme. Vorreden waren nicht nötig, ich kam auf den Punkt. »Wie Sie wissen, untersucht die Polizei die beiden Mordfälle im Stadtwald bislang ergebnislos. Ich glaube nicht, dass im Duisburger Präsidium nur Nieten arbeiten, bin mir andererseits aber nicht so sicher, ob sich die Jungs dort auch wirklich mit letztem Einsatz reinknien. Beim Mord an Schopinski wurde in die falsche Richtung ermittelt, na schön, kann passieren; beim Mordfall van Eicken tappen sie völlig im Dunkeln, vielleicht sogar mit Absicht, denn es gibt da so Querverbindungen, Abhängigkeiten, es könnte also sein, dass der Leiter der Mordkommission irgendwann die Akte schließt.
    Unerledigter Fall.«
    »Was wäre so schlimm daran?«
    »Irene Gorgas würde auf freiem Fuß bleiben und der wahre Verantwortliche für die beiden Morde bliebe ungeschoren.«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    »Das habe ich vor. Yannick Gorgas, der Ehemann Ihrer treuen Hörerin, wird bei einem Unfall getötet. Irene Gorgas fällt in Depressionen; was sie nach Monaten der dumpfen Trauer aufrichtet, sind Ihre Sendungen, Herr Kelian. Mut schöpfen, du kannst, wenn du willst, all dieser Erbauungsstuss, Sie kennen ihn besser als ich. Irene nimmt das Schicksal, das ihr bös mitgespielt hat, in die eigene Hand und spielt ihrerseits Schicksal. Sie bringt Schopinski um, weil der, davon ist sie fest überzeugt, den Tod ihres Mannes verschuldet hat. Sie bringt ihn aber nicht nur um, sie tötet ihn, indem sie ihn bestialisch absticht, und zwar genau ein Jahr nach dem Unfall.
    Blut für Blut. Sie, eine schwache Frau, hat es diesem Dreckskerl gezeigt, ihm im Besonderen und den Kerlen im Allgemeinen. Was für ein Triumph! Also, man kann sagen, Ihre Aufbauarbeit, Herr Kelian, hat ungeahnte Früchte getragen.«
    Er hob die Hand.
    »Moment, lassen Sie mich ausreden. Natürlich können Sie nichts dafür, wenn eine verwirrte Person Ihre Ratschläge – du kannst, wenn du willst, und so weiter – auf diese Weise auslegt. Nein, nein, in den seltensten Fällen sind die Gurus für die Taten ihrer Anhänger verantwortlich. Meist ahnen sie nicht einmal, welche Wirkung ihre Worte haben können. In diesem Fall jedoch war es anders.« Ich ließ die Behauptung so stehen.
    Kelian hatte die Zigarette bis nahe an den Filter geraucht, ein letzter Zug, bevor er fragte: »Sind Sie sich sicher?« Er drückte die Kippe in einem Blumentopf aus.
    »Und wie! Irene teilte Ihnen in leicht verschlüsselter Form mit, was sie getan hatte: ›Es ist vollbracht, ich kann wieder schlafen. Wem, wenn nicht Ihnen, soll ich mein Herz ausschütten? ‹ und so weiter.«
    »Pathetischer Quatsch.«
    »Ich habe zitiert.«
    »Woraus zitiert?«
    »Aus einer E-Mail. Und die hatte noch eine Nachschrift, die Sie, glaube ich, besonders hellhörig gemacht hat: ›Ich bin nun mal eine leidenschaftliche Frau, die für den Mann, den sie liebt, alles tun würde. Alles!‹ – Das letzte Wort in Großbuchstaben, wie ein Aufschrei.«
    »Und was habe ich mit diesem Unsinn zu tun?«
    »Viel! Denn daraufhin berichteten Sie ebendieser
    leidenschaftlichen, zu allem bereiten Frau von Ihren Problemen, ohne Hintergedanken, versteht sich. Wollen Sie es wortgetreu wissen. Moment!« Ich zog den Ausdruck, den Cetin von seiner Datenrettung gemacht hatte, aus meiner Tasche. »Hier ist es: ›Meiner Meinung nach haben Sie ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden…‹ Was natürlich nur eine rein wissenschaftliche Feststellung war, um aber sogleich von den Ungerechtigkeiten zu berichten, die man Ihnen angetan hat. ›Ein neuer Chef im Haus macht mir das Leben schwer, man will mich, wie

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