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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Mark Knopfler – ausgeblendet worden war, lief unser Gespräch genauso ab, wie Kelian es bei der
    Einweihungsfeier angekündigt hatte. Fragen nach meinem Alter, wo geboren, wie aufgewachsen, welche Tätigkeiten ich zuvor ausgeübt hatte. Ich beantwortete seine Fragen in knappen Sätzen, wie er es mir vor der Sendung geraten hatte.
    »Und was machen Sie zurzeit?«, erkundigte sich Kelian, ließ mir aber für eine Entgegnung keine Gelegenheit. Er glaubte, es spannend machen zu müssen, kündigte eine
    Musikunterbrechung an und forderte die Hörer auf, meinen Beruf zu raten. Während das Stück lief, unterbreitete er mir:
    »Bei zu langen Wortbeiträgen schalten die Zuhörer innerlich ab. Deshalb gilt bei uns der Spruch: Wir können über alles sprechen, nur nicht über drei Minuten – ha!« Er fand den alten Scherz immer noch witzig.
    Nach der Musik und der Werbung, kein Anrufer hatte sich gemeldet, kam Kelian noch einmal auf meinem Beruf zu sprechen, um schließlich zu sagen: »Nun, nachdem wir die Tatsache, dass Sie ein Privatdetektiv sind, gelüftet haben, plaudern Sie doch mal aus dem Nähkästchen, Herr Mogge, schildern Sie uns bitte einen interessanten Fall aus letzter Zeit.
    Oder gab es da nur Routine?«
    »Ja, nein, da wäre schon was…?«
    Er zwinkerte mir zu und seine Stimme war die des guten Rundfunkonkels, als er sozusagen hinter vorgehaltener Hand zu den Hörern sprach: »Sie müssten sein Gesicht mal sehen.«
    Und dann zu mir: »Herr Mogge, Sie sind wahrlich ein Meister der Spannung, aber bitte lassen Sie mich und unsere Hörer nicht zu lange zappeln. Worum ging es denn da?«
    »Um Stalking.«
    »Vielleicht etwas genauer…?«
    »Gerne. Stalking kommt aus der englischen Jägersprache und ist der Fachausdruck für das Nachschleichen und Auflauern von Prominenten, aber auch von ganz normalen Personen. In diesem konkreten Fall war es so: Ein Radiomoderator wurde von einer besonders eifrigen Hörerin mit Geschenken und Aufmerksamkeiten verfolgt. Der Moderator fand das lästig, die Polizei konnte ihm nicht helfen, weil dieses Stalking genannte Buhlen um Aufmerksamkeit in Deutschland bislang nicht verboten ist. Na ja, eines Tages stand der genervte Moderator dann in meinem Büro…«
    »Ich weiß nicht, ob das für unsere Zuhörer, die ja nicht vom Fach sind, so interessant ist.« Kelian artikulierte immer noch perfekt, jedoch mit zunehmend schmaleren Lippen. Seine Augen signalisierten, dass ich um Himmels willen aufhören sollte.
    »Zu fachlich? Och, ich denke, nein. Es wurde ja auch eine wirklich spannende Sache, weil die besagte Frau, beeinflusst von dem Moderator, später einen Konkurrenten des
    Radiomannes aus dem Weg räumte.«
    Bei meinem letzten Satz zuckte Kelians Hand in die Höhe, ein Signal durch die Glasscheibe in Richtung Senderaum. Sein Daumen fuhr über die Kehle, abdrehen, tot, gestorben. Doch der Techniker reagierte nicht, er blätterte weiter in seiner Zeitschrift – so, wie ich es mit ihm besprochen hatte. Guter Mann, ein Freund von Cetin. Als Kelian dann in seiner Verzweiflung nach meinem Mikro griff, hatte ich es längst in Sicherheit gebracht.
    »Was wir hier gehört haben«, versuchte er die Situation zu retten, »könnte man Anstiftung zu einem Verbrechen nennen.
    Ich bin Laie auf dem Gebiet, schätze aber, dass es der Polizei gelingen wird, der Frau den Mord nachzuweisen. Was nun den Moderator betrifft – tja, schwarze Schafe gibt es wohl in allen Berufen.« Kelian hatte sich gefangen. »Herr Mogge, Sie sind der Fachmann. Erzählen Sie unseren Hörerinnen und Hörern doch in wenigen Worten, wie Ihrer Meinung nach dieser ungewöhnliche, ja dramatische Fall ausgehen wird.«
    »Ende offen, Herr Kelian.«
    »Ein gutes Schlusswort, Herr Mogge. Vielen Dank für Ihren Besuch. Und Vorsicht! Denn ›Gefahr ist mein Geschäft‹ –
    unter diesem Motto stand unsere heutige Folge von Die rote Couch bei Radio Vital. Vielen Dank! Weiter geht es jetzt mit Musik, dann folgen die Nachrichten und anschließend die Sendung CD-Karree. Bleiben Sie dran!«
    Obwohl ich nie eine Folge von Die rote Couch bis zum Ende verfolgt hatte, war ich überzeugt, dass die heutige Sendung kürzer als üblich ausgefallen war. Und ungewöhnlich sowieso.
    Die Musik setzte ein, das Schild Auf Sendung erlosch, wir erhoben uns fast gleichzeitig.
    Moderatoren sollten gemäßigt und verbindlich, maßvoll und ruhig sein, Kelians Augen sprühten Funken: »Kommen Sie, wir müssen reden.«
    51.
    Mit forschem Schritt ging er mir

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