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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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jemand gefragt, dann wäre ich dafür gewesen, alle Psychologen in den Tagebau zu schicken.
    Ich sagte: »Herr Kelian, da Sie nun ja nicht mehr mein Klient sind und folglich auch keine Vermengung der Interessen vorliegt, wollte ich auf Ihr Angebot mit dem Porträt auf der Couch zurückkommen.«
    »Ah, Die rote Couch, darum geht es.« Er ließ die Worte auf der Zunge zergehen. »Für einen Augenblick dachte ich schon, Sie wären verärgert, weil ich mich um Ihre charmante Nachbarin gekümmert habe. Ich hätte eine Volontärin schicken können. Aber dann dachte ich, nein, mach es selbst. Man muss solche Projekte unterstützen, diese Kinder hier sind unsere Hörer von morgen. Und da unser guter Herr van Eicken, der solchen Vorhaben eher abhold war, nun…«
    »… nun solchen Ideen nicht mehr im Wege steht…«
    »Schrecklich, schrecklich! Sie sagen das so kalt, Herr Mogge, aber das bringt wohl Ihr Beruf mit sich.« Er atmete tief durch.
    »Apropos Beruf: Die rote Couch, Schimanskis Erben, doch ja, selbstredend gilt mein Angebot noch. Können wir machen.«
    Gönnerhaft nickte er mir zu.
    Wie viele kleine Männer drehte Kelian in Gegenwart von Frauen auf, brillierte mit seinem Wissen, war galant und witzig. Ich stand daneben und kam mir groß und tumb vor.
    Weil Paula in unserer Hörweite auftauchte, wiederholte er:
    »Machen wir, Herr Mogge. Eigentlich ist es ein bisschen knapp mit der Zeit, aber wir kennen uns ja gut. Da brauchen wir keine lange Vorbereitung, soll ja auch spontan klingen.
    Also gut, sagen wir übermorgen.«
    »Wie wird die Sendung denn ablaufen?«
    »Kurze Anmoderation einer Kollegin oder eines Kollegen, unser Jingle, und dann springen wir sofort ins kalte Wasser.
    Ich stelle eine provozierende Frage, natürlich nicht persönlich gemeint, nur damit wir in Schwung kommen. Zum Beispiel: Herr Mogge, heute schon einen Verbrecher gefasst? Gut, nicht wahr? Und dann zeigen wir unseren Hörern den Mann hinter dem Klischee, seine Arbeit fernab von wilden Schießereien und Verfolgungsjagden im Auto; schließlich sind wir ja in Deutschland und nicht in Chicago. Die Leute sollen erfahren, dass die Ermittlungen eines Privatdetektivs meist langwierige Kleinarbeit bedeuten, Kleinarbeit, die unsere Polizei oft nicht machen will oder kann. Streitigkeiten in der Ehe, Diebstähle in Firmen und so weiter und so fort, Dinge eben, mit denen Sie sich in der Mehrzahl beschäftigen – wird schon klappen.«
    »Das wär’s dann?«
    »Fast. Zum Schluss stelle ich dann noch eine Frage, die in die Zukunft weist. Das Ganze wird sich bestimmt positiv für Sie auswirken.«
    »Aber sicher.«
    49.
    Positives Denken, sechzig Sekunden in den Spiegel lächeln, gute Schwingungen, schlechte Schwingungen.
    Nicht einen Tropfen Alkohol hatte ich getrunken und fühlte mich dennoch wie betrunken. Ich legte mich aufs Bett, starrte in die Dunkelheit und hörte, wie in Abständen die Haustür klackte und die ersten Autos wegfuhren. Einmal ging ich ans Fenster, nur so, um frische Luft zu schnappen – Kelians Audi stand noch unter der Laterne auf der anderen Straßenseite.
    Endlich war es still im Haus. Hin und wieder glaubte ich, ein Huschen auf der Treppe zu vernehmen. Ich hatte meine Wohnungstür nicht abgeschlossen und hoffte insgeheim, dass Paula hereinkäme und sich lautlos nach Katzenart an mich schmiegen würde. Irgendwann glaubte ich sogar, sie zu spüren, aber dann war es doch nur eine Wunschvorstellung in der Phase zwischen Wachen und Träumen.
    War’s das schon gewesen? Wie bei den Dschungelvögeln, von denen Paula mir erzählt hatte? »Wenn die untergehende Sonne im Regenwald des peruanischen Tieflands von den Gefahren der Nacht kündet, stoßen diese Vögel
    sehnsuchtsvolle Schreie aus, bis sich ein Partner findet, mit dem sie das Nest teilen, weil das die Chance erhöht, den Tatzen des Jaguars zu entgehen. Doch sobald der Morgen graut, trennen sich diese Vögel wieder.«
    »Und sie treffen sich nie wieder?«
    »Wer weiß?«, hatte sie gelächelt.
    50.
    Die Couch war wirklich rot, blutrot, und aus Kunstleder. Wir saßen uns gegenüber, zwischen uns die Mikros, jeder mit einem Glas Wasser neben sich, Kelian hatte überdies noch einen Schreibblock mit Stichworten vor sich. Die
    Erkennungsmelodie der Sendung lief, der Techniker hinter der Glasscheibe zeigte mit den Fingern die verbleibenden Sekunden. Vier. Drei. Zwei. Noch eine – und ab.
    Wir waren auf Sendung.
    Nachdem die Hintergrundmusik – Private Investigations, gesungen von

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