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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Leinenhose, die Stiefel mit den Schneerändern – und ihr Gesichtsausdruck besagte, ein neues Jackett wäre wohl auch mal wieder fällig.
    Ich rieb mir die Nase. »Ich schlafe gern, halte viel von einer ausgedehnten Siesta, was nicht in vielen Berufen möglich ist, ja, deshalb mache ich diesen Job.«
    »Für einen Detektiv sind Sie nicht besonders neugierig«, bemerkte sie. Sie sprach mit dem Unterton einer Lehrerin, zum ersten Mal.
    »Hören Sie«, erwiderte ich etwas schärfer als beabsichtigt.
    »Vielleicht rücken Sie endlich mit der Sprache heraus, was Sie eigentlich von mir erwarten.«
    »Das hatte ich gerade vor«, sagte sie, unbeirrt von meinem rüden Ton.
    »Ach ja?«
    »Ich wollte fragen, ob Sie etwas in Erfahrung bringen könnten.«
    »Und was?«
    »Ob Peter Rugen ermordet wurde.«
    »Er wird sich ja kaum selbst eingepökelt haben«, sagte ich betont schnodderig. Ich war immer noch sauer über das Versteckspiel.
    »Und wer…?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Könnten Sie das nicht herausfinden?«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil ich Sie dafür bezahlen würde.« Ich bemerkte ein Zittern in ihrer ansonsten beherrschten und angenehmen Stimme. »Bitte!«, fügte sie hinzu.
    Tagelang sitzt man im Büro, starrt Löcher in die Luft oder prüft von Zeit zu Zeit, ob der Telefonanschluss inzwischen nicht gekappt worden ist, und plötzlich hat man zwei Fälle zu gleicher Zeit.
    »Ich werde es mir überlegen.«
    Anne schien erleichtert. »Wenn Sie noch ein wenig Zeit haben, möchte ich Sie zu einem kleinen Spaziergang über die Soester Wälle einladen.«
    Unterbrochen von Hinweisen auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt, besprachen wir die Einzelheiten. Auch sie war, wie Klient Gregor Kelian, mit meinen Honorarwünschen
    einverstanden. Auf meine Frage, warum sie an der Aufklärung interessiert sei, erwiderte sie schlicht: »Ich war seine Lehrerin.«
    Eine annehmbare Erklärung für ihr Interesse.
    »Und zur Arbeit der Soester Polizei haben Sie kein Vertrauen?« Nach Tagen, ja fast nach Wochen ohne einen nennenswerten Auftrag, konnte ich innerhalb von
    vierundzwanzig Stunden nun schon zum zweiten Mal meine Standardfrage anbringen.
    Sie hob die Augenbrauen. »Sie haben es ja gehört, der Tod liegt zehn Jahre zurück, die Beamten kommen doch nicht einmal mit den aktuellen Fällen voran.«
    »So schlimm?«
    »Auf den ersten Blick scheint diese Stadt eine Idylle zu sein, wenn man aber ein halbes Jahrhundert hier gelebt hat, so wie ich, dann weiß man es besser.«
    Ich wollte wissen, warum sie mir nicht von Anfang an reinen Wein eingeschenkt hatte.
    »Weil ich Sie mir erst einmal anschauen wollte. Ich weiß, dass Sie bei dem Klassentreffen waren. Ich saß an einem der Nebentische, mit den anderen Lehrkräften, aber bei dem Trubel konnte ich mir kein Bild von Ihnen machen, es bestand ja auch kein Anlass dazu.«
    »Und? Was sagen Sie jetzt?«
    Sie streifte mich mit einem schnellen Seitenblick. »Sie haben große Füße und einen schnellen Schritt beim Spazierengehen.«
    Sie blieb stehen, um über das Land unterhalb der Stadtmauer zu blicken. Bäume und Büsche mit letztem Laub, dahinter flaches, fruchtbares Land unter tief hängenden Wolken. Ich stand halb schräg hinter ihr, nahm ihren Duft wahr und plötzlich verspürte ich den Wunsch, diese Frau zu umarmen.
    Sie war durchaus anziehend und dennoch hatte es gar nicht so viel mit ihr persönlich zu tun. Wahrscheinlich hatte ich einfach zu lange mit keiner Frau geschlafen und sehnte mich nach Nähe und Wärme.
    Als hätte sie meine Gedanken erraten, drehte sie sich um.
    »Was überlegen Sie, Herr Mogge?«
    »Eine Liste, ich hätte von Ihnen gern diese Liste mit den Leuten, die zu dem Klassentreffen eingeladen waren.«
    Im Bekanntenkreis des Opfers mit den Recherchen zu beginnen ist immer am einfachsten. Und mit ein paar anderen Dingen müsste ich mich beschäftigen – Peter Rugens beruflicher Werdegang, seine familiären Verhältnisse, sein Verschwinden vor rund zehn Jahren sowie die Umstände, unter denen er wieder gefunden wurde. Das war Routinearbeit, die ich zum großen Teil zu Hause am Telefon erledigen konnte, ehe ich mich dann, so vorbereitet, vor Ort voll in die Sache reinknien würde.
    »Die Einladungsliste«, sie schien nachzudenken, »doch ja.
    Wenn Sie noch kurz mit zu mir nach Hause kommen, könnte ich Ihnen die Liste geben und Sie mit meinem Mann bekannt machen, falls er schon von der Arbeit zurück ist.«
    Dass sie ihren Mann erwähnte, störte mich. Ich bat sie,

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