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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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und Hörer, Ihr Unterbewusstsein nimmt weit mehr auf, als Sie ahnen. Ein Umstand, den wir mit unserer Methode nutzen. Nachts, Sie liegen Bett, werden diese Informationen im Gehirn gefestigt und am nächsten Morgen sitzt es dann. Die Hauptsache ist, dass Sie nicht hinhören, was tagsüber der Kopfhörer sagt.«
    Nicht hinhören also. War das nur so dahergeredet? Oder versuchte Kelian sich mit Ironie selbst zu motivieren und so über die Sendung zu bringen? Von der Stimme des Mannes war ich mal wieder sehr angetan, vom Inhalt der Sendung überhaupt nicht. Ganz geschickt streute er nach Art des TV-Moderators Jean Pütz Hinweise auf seine CD ein: »… die Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, bei der Hausarbeit oder wenn Sie Ihrem Hobby nachgehen, einlegen und abhören können, bequemer geht es wirklich nicht.«
    Aufdringlicher auch nicht.
    Die CD kostete neununddreißig Euro; bei einem
    Herstellungspreis von zwei oder drei Euro ergab sich – da die Werbung für ihn kostenlos war – eine traumhafte
    Gewinnspanne. Vergleichbar nur noch dem Wunderwasser aus Lourdes.
    Zuletzt erteilte Kelian noch einen der klischeehaften Ratschläge aus der Mottenkiste des positiven Denkens: »Wenn Sie sich trotzdem mal über jemanden ärgern, lächeln Sie einfach sechzig Sekunden, ob vor allen Leuten, allein in einem Hauseingang oder auf der Toilette, das ist egal.«
    Ich blickte in den Rückspiegel, sah einen Mann mit müden Augen in einem wilden Gesicht – und musste lachen.
    Na schön, ab morgen machen wir Ernst.
    7.
    Das Museumscafé im Duisburger Kantpark war im Sommer gar kein so schlechter Treffpunkt. Von der Terrasse schweifte der Blick über den recht gepflegten Rasen zu dem gläsernen Kasten des Lehmbruck-Museums. Im Schatten alter Bäume standen mächtige Skulpturen aus Stein und Stahl, dazwischen wuchtige Stühle, die wie Folterinstrumente aussahen, aber für ein Nickerchen hervorragend geeignet waren. Wenn die Sonne schien, war es im Café leer, dann saßen die Gäste draußen auf Gartenstühlen und pickten in ihrem Raukesalat oder tranken Espresso. Angestellte aus den nahen Banken bestellten ihren Kaffee mit aufgeschäumter Milch – aber im Glas, bitte schön!
    Etwas abseits, aber noch in Sichtweite der Cafégäste, stierten Stadtstreicher auf die leeren Bierflaschen in ihrer Mitte.
    So war es im Sommer. Bei Sonnenschein. Im Herbst und wenn Nieselregen von den Bäumen auf die roten Aschewege tröpfelte, war das Museumscafé dagegen so einladend wie ein städtisches Schwimmbad.
    Als ich an diesem grauen Herbsttag die Tür aufstieß, saß ein gutes Dutzend Gäste verstreut in dem großen Raum. Nur eine Person hatte allein einen Platz in der erhöhten Fensterreihe eingenommen. Sie war Mitte dreißig, hatte dunkles kurz geschnittenes Haar, trug ein sandfarbenes Kostüm mit Schulterpolstern, wie sie vor Jahren mal Mode gewesen waren, und stützte ihr Kinn auf die gefalteten Hände. Vor ihr auf dem Tisch lag eine CD-Hülle.
    Ich ging auf die Frau zu, setzte ein Lächeln auf und sagte, Kelian imitierend, indem ich meiner Stimme einen betont markanten Klang gab: »Schön, dass Sie gekommen sind, Isolde.«
    Ihre Lippen, die sich für Bruchteile von Sekunden zu einer freundlichen Entgegnung geöffnet hatten, wurden bei meinem Anblick zu einem Strich. »Sie sind nicht… ich kenne Sie nicht.«
    »Wen hatten Sie denn erwartet?« Ich rückte einen Stuhl zur Seite und setzte mich ihr gegenüber.
    »Niemanden.«
    Als sie die Handflächen über die CD legte, griff ich ihren linken Unterarm und drückte ihn auf die Tischplatte.
    »Lassen wir das Versteckspiel. Sie hatten sich mit Gregor Kelian von Radio Vital verabredet.« Ich tippte auf die CD-Hülle mit den psychedelischen Kringeln. »Sein Werk. Aber nun bin ich hier.«
    »Wer sind Sie?«
    »Na, raten Sie mal!« Ich langte in meine Sakkotasche und hielt ihr einen Ausweis unter die Nase, lang genug, dass sie mein Bild und einen offiziellen Stempel sehen konnte, aber zu kurz, um erkennen zu können, dass es sich lediglich um meinen Gewerbeschein handelte.
    »Polizei, aber…?«
    Ich machte ein Gesicht, das man als Zustimmung deuten konnte, verstärkte den Druck meiner rechten Hand, blickte ihr hart in die Augen und herrschte sie an: »Ab sofort keine Briefe mehr an Gregor Kelian! Keine Anrufe im Sender, keine Päckchen, lassen Sie den Mann in Ruhe! Falls nicht, kriegen Sie Ärger wegen Nötigung und müssen obendrein die Kosten für den Personenschutz tragen, den Herr Kelian mit Sicherheit

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