Stelzvogel und Salzleiche
beantragen wird, wenn Sie ihn auch nur noch ein einziges Mal belästigen. Verstanden? Und nun Ihre Personalien!«
Ich ließ ihr Handgelenk los. Sie nestelte an der Handtasche, die auf dem freien Stuhl neben ihr stand, ihre Hand zitterte.
Fast tat es mir Leid, dass ich sie so hart angefasst hatte. Vor mir saß ja schließlich keine Verbrecherin, sondern nur eine liebeskranke Stelztante, der die Gesellschaft eines Kaffeekränzchens oder die Zuneigung eines Mannes fehlte und die deshalb ihre Aufmerksamkeit auf einen Moderator mit guter Stimme gelenkt hatte. Andererseits, entschuldigte ich mein Auftreten vor mir selbst, waren ein paar rau gesprochene Worte besser als ein zertrümmertes Handgelenk.
Sie kramte immer noch in ihrer Handtasche.
»Vergessen. Ich habe meinen Ausweis nicht dabei.« Es zuckte um ihre Mundwinkel. »Ich wohne nicht weit von hier, im Dellviertel, Neue Marktstraße 15, Sie können meine Angaben überprüfen, ich heiße Irene Schröder.«
»Schröder.« Ich verzog meinen Mund. »Nicht Meyer? Nicht Müller? Nicht Kant?«
Sie sah mich mit ehrlichem Erstaunen an. »Wieso Kant?«
»Der Park hier heißt so.«
»Ich weiß, worauf Sie anspielen, dass ich meine Zuschriften mit Isolde unterzeichnet habe. Aber warum sollte ich meinen wirklichen Namen nennen? Man denkt sich einen aus, das machen doch alle im Internet, was ist so schlimm daran? Und die selbst gebackenen Plätzchen, die ich ihm geschickt habe, die waren doch nicht vergiftet.« Sie nippte an ihrem kalten Kaffee. »Es gibt so viele langweilige Tage, einer verläuft wie der andere. Von der Arbeit nach Hause und dann ist da niemand, nur der Fernseher und das Radio. Er, der Herr Kelian, hat mir immer geantwortet. Schließlich war es ja auch sein Vorschlag gewesen, ich meine, diese Verabredung, und er wollte mir seine CD signieren. Weiß er überhaupt, dass Sie sich da reingedrängt haben? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er gutheißt, dass die Polizei…« Sie schniefte.
Wenn ich nicht bald Einhalt gebot, hatte ich über kurz oder lang mein Jackett von Frauentränen durchweicht. Die Welt war schlecht, die Abende einsam, die Frau sollte sich einen Hund anschaffen. »Wir haben uns nicht in Ihre Verabredung gedrängt, Herr Kelian hat uns um Hilfe gebeten, nehmen Sie das zur Kenntnis, Frau Schröder.«
Ich tat, als ob ich ihr den Namen Irene Schröder glaubte.
Während ich ihre Adresse in ein Notizbuch schrieb, brabbelte ich noch einmal etwas über Nötigung, Verletzung der Intimsphäre und Mindeststrafen. Ich überlegte, ob ich das freizügige Video erwähnen sollte, ließ es aber sein. Sie hatte genug gelitten, die Unterhaltung musste nicht noch peinlicher werden.
Von den übrigen Gästen schossen schon interessierte Blicke zu unserem Tisch. Ich schob meinen Stuhl zurück und richtete mich demonstrativ zu voller Körpergröße auf. Die Frau vor mir hatte zwar breite Schultern und auch ein recht grobknochiges Gesicht, war aber, was ihre Körperhaltung betraf, im Augenblick nur ein Häufchen Elend.
Die Kellnerin kam. »Was darf ich Ihnen bringen?«
»Bin schon wieder weg.« Ich deutete mit dem Kinn zur Tür und in Richtung der parkenden Autos.
Als ich mich umdrehte, fiel mein Blick auf die noch immer geöffnete Handtasche meiner Gesprächspartnerin und ich erkannte eine Sprühdose mit Reizgas. Ich hatte mal gehört, dass Männer der Inhalt von Damenhandtaschen grundsätzlich nichts angeht, mag sein, ich konnte mich aber nicht mehr erinnern, ob dieser Grundsatz auch für ehemalige Polizisten und private Ermittler galt.
8.
»Wie ist es aus gegangen?«, wollte Kelian wissen. Ich hatte im Sender angerufen und um seinen Rückruf gebeten. Seitdem war einige Zeit vergangen, aber nun hatte ich ihn am Apparat.
Den Nebengeräuschen nach zu urteilen, befand er sich in einer Kantine.
Ich saß in meinem Wagen gegenüber dem Museumscafé, blickte auf eine Politesse, die sich langsam meinem Platz im Halteverbot näherte, und sprach etwas lauter ins Telefon: »Gut ist es ausgegangen. Ich denke, sie hat es geschluckt.« In knappen Worten schilderte ich meinem Klienten die
Einzelheiten des Treffens. »Sie sagt, dass sie Schröder heiße und in Duisburg im Dellviertel wohne. Ich schätze, beides stimmt nicht.«
»Könnten Sie nicht ihren wirklichen Namen und die genaue Adresse herausfinden?«
»Mit einem gewissen Aufwand schon. Aber wieso sollte ich?«
»Ich dachte, es könnte nützlich sein für den Fall, dass die gute Irene trotz Ihres Einsatzes,
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