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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Reise in die Karibik oder versuchen auf andere Weise der häuslichen Enge, dem eingefahrenen Eheleben für eine Weile zu entfliehen, Selbstverwirklichung, aber mit Sicherungsleine. Diese Frau hingegen war bereit, ins kalte Wasser zu springen. Also eher mutig und konsequent als dumm.«
    »Aber warum wollte sie überhaupt weg von ihrem Mann?«
    »Irgendetwas war da wohl schief gelaufen in der Ehe.«
    Wie bei mir, dachte ich, drei Jahre war ich verheiratet gewesen, dann Scheidung, gegenseitige Beschuldigungen, Streit um Nichtigkeiten, Trauer, Trotz, das fast übliche Ende einer Liebe… Wie in einer Laufschrift ging das an meinem inneren Auge vorbei, laut sagte ich: »Nun, wie in vielen Ehen etwas schief läuft. In diesem Fall kam jedoch noch etwas hinzu. Peter Rugens Geliebte war, ich erwähnte es bereits, um die zehn Jahre älter als er, bei ihr tickte die biologische Uhr, sie wollte ein Kind.«
    »Augenblick mal, wie Sie es schildern, war es eine Affäre, mehr nicht. Wir leben in toleranten Zeiten.« Sanft berührten Carlos’ Fingerspitzen Annes Unterarm.
    »Es war mehr als eine Affäre. Und außerdem…« Ich sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Ja, Herr Mogge, was? Spannen Sie uns nicht länger auf die Folter.«
    Wieder suchte ich Annes Blick, fand ihre Zustimmung und fuhr fort: »Die Frau war schwanger. Von ihrem Liebhaber.«
    »Und? Ich habe mal gelesen, dass zehn bis zwanzig Prozent aller Kinder, die in einer Ehe geboren werden, nicht von dem Ehemann stammen. Kuckuckskinder.« Carlos’ Lachen klang aufgesetzt. »Nichts Ungewöhnliches.«
    »In diesem Fall schon. Denn das Kind, das im Bauch der Geliebten von Peter Rugen heranwuchs, konnte nicht von dem betrogenen Ehemann stammen – weil dieser zeugungsunfähig war.«
    Es wurde so still im Raum, dass ich hören konnte, wie Anne tief durchatmete und Carlos seinen Speichel hinunterschluckte.
    »Soll ich weiter berichten von meinen Recherchen, Herr Mehringer?«
    Er sah mich nicht an, sondern nur seine Frau. Noch immer lagen seine Fingerspitzen auf ihrem Unterarm. Als sie seine Hand ergriff und sie wie zur Bestätigung ihrer Verbundenheit drückte, sagte er: »Nur zu, Anne hat Sie ja engagiert. Deshalb sind Sie schließlich hier.«
    Das Essen war gut, das Ambiente stilvoll und friedlich, meine Gastgeber waren sympathisch – es gab Momente, in denen ich meinen Beruf hasste. Dies war so einer. Nachdem ich die Leinenserviette etwas umständlich neben meinem Teller platziert hatte, kam ich der Aufforderung nach: »Der Ehemann wusste, dass er seine Frau, Reichtum hin, Bequemlichkeit her, nicht halten konnte. Angst vor dem Verlust, Angst vor der Schande, verlassen zu werden – der Mann sah nur einen Ausweg: Der Nebenbuhler musste weg.«
    »Jetzt wird es bühnenreif.« Mehringer setzte sich wie bei einem Fernsehfilm im Sessel zurecht, verschränkte die Arme.
    »Er bringt ihn um.«
    »Langsam! Zunächst versuchte er den Nebenbuhler zu kaufen, er bot Geld, wollte ihm eine lange Reise finanzieren, nach Indien oder sonst wo, Hauptsache weit weg und am besten für eine lange Zeit, vor allem aber: allein. Peter Rugen ging auf das Angebot ein, er nahm das Geld, kam dann allerdings, einen Teil hatte er bereits ausgegeben, auf die Idee, mehr zu verlangen. Er traf sich mit dem Geschäftsmann in einem verlassenen Salzlager, das Wort Erpressung fiel, es kam zu einem Handgemenge, Peter stürzte und schlug mit dem Kopf gegen die Schaufel eines Baggers. Er war tot. Ein Unfall, aber keiner würde dem betrogenen Ehemann glauben, am wenigsten wohl seine Frau. Wohin mit der Leiche? Er versteckte sie, es musste schnell gehen, in einem Salzberg, ging nach Hause und erzählte seiner Frau, dass ihr Liebhaber, von dem sie ein Kind erwartete, bereits auf dem Weg nach Indien sei, ohne sie. Ende.«
    »Und die Frau glaubte ihm das?« Carlos’ Gesicht bekam einen lauernden Ausdruck.
    »Fragen Sie Ihre Frau, Herr Mehringer.«
    Es gab keinen regelrechten Knall, aber es war, als hätte man seinem Körper sämtliche Luft entzogen. Obwohl mein Bericht ja seit geraumer Zeit auf diesen Punkt zugesteuert hatte, war Carlo Mehringers Reaktion überraschend heftig; vielleicht weil er bis zuletzt gehofft hatte, glimpflich aus der Angelegenheit herauszukommen. Reglos saß er im Sessel, das Gesicht versteinert, seine Hände umklammerten die Lehnen. Dann, aus der Erstarrung, kam sein Angriff.
    »Ich soll diesen Rugen geschlagen oder gar erschlagen haben? Ist es das, was Sie meinen? Und was ist mit dem Brand auf dem

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