Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
erschienen nicht mehr als siebenhundert Leute zur Wahl; das bedeutete, daß Yelad auch nicht auf die Stimmen der Toten zurückgreifen konnte.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit trafen die ersten von mehreren hundert Lastgleiterladungen mit falschen Wählern in der Hauptstadt von Dusable ein.
Auf dem ganzen Planeten karrte Yelad auf ähnliche Weise Verstärkung zu den Wahllokalen. Die Wähler wurden von Wahllokal zu Wahllokal eskortiert, um für den Tyrenne zu stimmen, wobei ihnen für jede Stimme ein Gutschein ausgehändigt wurde. Die Gutscheine konnten anschließend gesammelt in Bargeld umgetauscht werden. Auf jedem Wagen saßen einige erfahrene Profis, die es schafften, bis Mitternacht zweihundert bis dreihundert Wahllokale aufzusuchen. Für sie war das sehr lukrative Akkordarbeit.
Raschids Streitmacht wartete in einer
Seitenstraße, bis der erste Laster vorüber war. Dann schwärmten sie aus, schwangen ihre Knüppel und schleuderten Flaschen mit explosiver Flüssigkeit auf die Fahrzeuge. Die Besatzung des ersten Lasters wurde vom Fahrzeug heruntergezogen und
verdroschen, der Laster von seinen A-Grav-Kufen gekippt und angezündet. Das brennende Wrack versperrte den nachfolgenden Fahrzeugen den Weg.
Dabei hätte man eigentlich keine Barrikade benötigt. Die anderen Wagen konnten entweder rasch überwältigt werden, oder sie drehten von selbst bei und suchten das Weite. Verfolgt wurden sie nicht. Raschid hatte es in jeden einzelnen Schädel hineingetrommelt: Was auch passiert, haltet euch an die Vorgaben.
Jemand brach das Tresorfach des Lastgleiters auf und verteilte die gefälschten Wahlkarten - auch das eine Vorgabe aus Raschids Checkliste.
Gillia war ein abgehärteter Veteran aus zwanzig Jahren Wahlkampfkampagnen mit Muskelspiel und schmutzigen Tricks. In letzter Zeit war ihm das alles zuviel geworden. Er dachte daran, sich zur Ruhe zu setzen. Nur aus Loyalität Yelad gegenüber hatte er beschlossen, noch eine letzte Kampagne
mitzumachen. Hinzu kam die Einschätzung der Experten, daß diese Wahl der reinste Spaziergang werden würde. Kenna hatte nicht die geringste Chance, was wiederum hieß, daß Gillia sämtliche Möglichkeiten offenstanden, noch mehr Rahm als sonst abzuschöpfen. Wenn er es schlau genug anpackte, konnte er sich als fast so reicher Mann wie der Tyrenne selbst zur Ruhe setzen.
Als Gillia dem ersten Fahrzeug befahl, in den 103. Bezirk einzubiegen, wußte er bereits, daß er ein blöder Idiot gewesen war, sich doch noch einmal breitklopfen zu lassen. Überall erzählte man sich, Yelad müsse auf ganz Dusable empfindliche Niederlagen einstecken. Straftrupps, die draußen umherschwirrten, um ein wenig Druck auszuüben, kriegten selbst die Hucke voll. Einige
Auseinandersetzungen hatten sich zu regelrechten Krawallen ausgeweitet. Gillia hatte mit eigenen Augen ein brennendes Bezirksbüro Yelads gesehen, und das gleich in der ersten Stunde seiner nächtlichen Arbeit. Brennende Barrikaden und ein brüllender Mob hatten ihm den Zutritt zu nicht weniger als acht Bezirken versperrt.
In der Zwischenzeit brüllten auch Yelads Top-Organisatoren nicht gerade wenig herum. Noch nie zuvor war Gillia von der Wahlkampfelite mit einer derartigen Hysterie empfangen worden. Seine Wahlkontrollteams standen unter enormem
Erfolgsdruck. Eine Hochrechnung nach der anderen ergab, daß Walsh immer mehr Stimmen für sich verbuchen konnte. Genau das mußte auf dem schnellsten Weg unterbunden werden.
Gillia war darauf spezialisiert, daß treue Wähler die treuen Wähler der anderen Seite -
ihre
Wahllokale nicht erreichten.
Wie beinahe überall neigten die älteren und kranken Bewohner von Dusable dazu, den Favoriten zu wählen. Das lag zum einen daran, daß sie, nachdem sie jahrelang eine Partei unterstützt hatten, zu diesem Zeitpunkt des Wahlkampfs nicht so leicht zum Umschwenken gebracht werden konnten. Zum zweiten verdankten die meisten von ihnen ihre momentane Existenz, so gefährdet sie auch sein mochte, eben jenem Kandidaten, der schon die ganze Zeit über an der Macht gewesen war.
Außerdem unterlag die gesamte soziale Wohlfahrt der direkten Verfügung durch den örtlichen Bezirkshauptmann.
Gerade diesen Mitbürgern fiel es jedoch oft schwer, die Wahllokale überhaupt zu erreichen.
Diesem Problem begegnet man normalerweise mit traditionellen Mitteln. Die Namen dieser wertvollen Wähler wurden vom Bezirkshauptmann gesammelt und an die Transportmannschaften übergeben. In der Wahlnacht kreuzten die
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