Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
selbst Mordida für Walshs Wahlkasse überwies, war er beruhigt. Was gingen ihn die Angriffe auf das Privatkabinett an? Diese exaltierten Geschöpfe kümmerten sich selbst auch nicht um das Geschwätz eines Nicht-Kandidaten wie Solon Walsh.
Um jedoch die Zügel nicht aus der Hand zu geben, ließ er von seinen eigenen Redenschreibern kleinere Kurskorrekturen vornehmen. In einigen besänftigenden Ansprachen ging er dazu über, das Kabinett zu verteidigen.
Raschid sorgte dafür, daß jede einzelne dieser Reden verbreitet und wirksam ausgeschlachtet wurde. Er verwandelte Yelads verhaltene
Erläuterungen in gigantische Werbespots am Himmel und drehte Yelad jedes einzelne Wort im Mund herum.
Dann brach der andere Mist über ihn herein: der gestockte Saft. Der mörderische Krieg unter den Polizisten. Die Gangsterübergriffe. Etcetera, etcetera. Yelad war so sehr damit beschäftigt, überall zu besänftigen und Lecks abzudichten, daß ihm nicht einmal auffiel, daß Solon Kenna, sein Erzrivale, selbst kaum so etwas wie einen Wahlkampf führte.
Drei Tage vor der Wahl berief der Tyrenne eine Krisensitzung ein. Sein Vertrauen war erschüttert.
Yelad sah aus wie ein Punchingball: dünner Unterbau und dünner Oberkörper, aber mit einer beachtlichen Kugel in der Mitte. Er wählte seine Schneider danach aus, daß diese Defekte eher betont als überspielt wurden. Die Kleider selbst waren aus Material nur wenig oberhalb der Mittelklasse gefertigt. Yelad wohnte im selben Bezirk, im selben kleinen Haus, in dem er aufgewachsen war. Er war nett zu seiner Mutter, erzählte nur Gutes von seiner Frau und brachte seinen mißratenen Kindern, die ihm und sich selbst viel Kummer bereiteten, großes Verständnis entgegen. Alle diese Eigenschaften hatte er während vieler Jahre Wahlkampf sorgfältig entwickelt. Die Botschaft lautete folgendermaßen: Als Mann des Volkes besaß Yelad auch viele Mängel der einfachen Leute - aber auch viele hausbackene Stärken. Diese Strategie war einer der Gründe dafür, daß er ein ums andere Mal die Wahlen gewonnen hatte.
Abgesehen davon verfügte er über eine
ausgedehnte Patronage und seine gewaltige Schmiermaschine. An diesem Abend jedoch lief überhaupt nichts wie geschmiert. Yelad war halb betrunken, auch das eine der vielen schlechten Angewohnheiten, denen er nach all den Jahren unangefochtener Wahlsiege verfallen war.
"Was sollas heiß'n, du weißnich, wer dahintersteckt? Wofür bezahle ich euch Blödmänner eigentlich? Faule, stinkende Säcke, das seid ihr, und nix anderes. Dreck unter meinen Füßen."
Er wütete und polterte. Seine Helfer verhielten sich still und warteten, bis der Sturm abflaute. Doch er flaute nicht ab.
"Ich sage euch, wassa los ist! Essis dieser verdammte Kenna. Versucht's auf die schlaue Tour.
Genau, und zwar ... Wir werden ja schon sehen, ganz bestimmt. Ich halte den Kerl auf, habt ihr gehört! Blöde Säcke, elende kriecherische Saubande... das seid ihr, und das ist los, sonst nichts!"
Es dauerte lange und bedurfte einiger
Beschwichtigungen, bis er sich einigermaßen beruhigt hatte und dazu in der Lage war, seine Anweisungen zu geben. In diesen miesen Zeiten brauchte er unbedingt ein Mandat. Ein Mandat von historischen Proportionen.
Die Wahlkampfteams und Schlägertrupps wurden verdoppelt, die Zahl der angeheuerten falschen Wähler verdreifacht. Außerdem warteten in der Reserve jene Wähler aus der Gruft, die man in die Waagschale werfen konnte, wenn die Stimmen ausgezählt wurden.
Tyrenne Yelad hatte finanzielle Reserven genug.
Was ihm fehlte, war Organisation. Nach so vielen siegreichen Jahren benötigte er ein viel kleineres Team zur Koordination seiner Wahlkampagne. Jetzt ließ er ganze Hundertschaften von Schurken einstellen, die sofort in Bewegung gesetzt wurden, sich jedoch oft gegenseitig behinderten und schon vor der letzten Runde zu Boden gingen. Zuvor ereilte ihn jedoch der heftigste Schlag, am Abend nach der Versammlung. Weniger als 48 E-Stunden vor der Wahl.
Als Kenna auf die große Bühne unter freiem Himmel tänzelte, sah Raschid ruhig vom Rande des Geschehens aus zu. Seine Blicke schweiften über das Publikum, um sicherzugehen, daß seine Stimmungsmacher auf ihren Posten standen und sich bereits daran gemacht hatten, der gewaltigen Zuschauermenge die Sporen zu geben. Jedes Livie-Nachrichtenteam auf Dusable war gebucht worden.
Sogar Yelads Hofberichterstatter kamen
herbeigeeilt, nachdem man die Nachricht wenige Stunden vor Kennas regulär
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