Sten 7 - Vortex - Zone der Verraeter
abzuschirmen, und blieb an einem besonders abscheulichen Beispiel des schlechten Geschmacks hängen. Es erhob sich zu einer Plattform, die auf den Schultern von einem Dutzend Statuen ruhte. Die Statuen - sie waren mindestens zwanzig Meter hoch - stellten perfekt geformte menschliche Männer und Frauen dar, wahrscheinlich Jochianer. Sie waren splitternackt. Auf der Plattform war eine Statue des Khaqans selbst plaziert, der allerdings in goldene Gewänder gehüllt war. Seine Hand reckte eine Fackel empor, komplett mit ewig lodernden Flammen.
»Ich könnte den Mann ja noch verstehen, wenn er Trinkhallen gebaut hätte«, sagte Otho schließlich. »Das ist einem angeberischen Wesen doch eher angemessen.
Abgesehen davon - wenn man gutes Essen bietet und auch mit dem Stregg nicht knauserig ist, hat niemand was gegen einen alten Angeber.« Er warf Sten aus blutunterlaufenen Augen einen Blick zu. »Soll nicht heißen, daß ich mich dieser Praktiken bediene. Ich persönlich ziehe es vor, wenn meine Gäste meine Heldentaten preisen.«
Sten deutete auf die Inschrift an einer Ecke des Ensembles.
Sie lautete: IHM, DER DEN ALTAI-CLUSTER MIT
SEINEM GLANZ ERHELLTE. Darunter in kleineren Buchstaben: Von Seinem Dankbaren Volk.
»Vielleicht hatte er eine ähnliche Idee«, sagte Sten. »Außer daß er sich ein für allemal von den guten Zeiten verabschiedet hat.«
Othos wuchtige Braue wölbte sich. »Deshalb sagte ich ja, es ist klüger, eine Trinkhalle zu bauen. Für jemanden, der so lange am Ruder war, hatte dieser Khaqan keine Ahnung von Führerschaft.«
Sten lachte zustimmend und gab seiner Gruppe ein Zeichen zum Weitergehen. Er hielt es für besser, zu Fuß zur Pooshkan-Universität zu gehen. Sie lag nicht weit von der Botschaft entfernt, und zu Fuß waren sie mit Sicherheit weniger auffällig als mit einer Armada gepanzerter A-Grav-Gleiter.
Außerdem besagte die erste Regel, die Sten im diplomatischen Dienst gelernt hatte, daß man sich niemals isolieren sollte. Er kannte viele Botschafter, die nie richtigen Boden unter die Füße bekommen hatten. Sie wurden von der Treppe der Botschaft zum Bankett in Staatsgemächer geführt und anschließend wieder zurück. Darin erschöpfte sich ihr Dienst am Staat. Ihm war auch nicht entgangen, daß ihre Ratschläge ausnahmslos unbrauchbar waren.
In diesem Fall fand er die Situation auf der Straße nicht anders vor, als sie die Bildschirme in der Nachrichtenzentrale abgebildet hatten. Abgesehen davon, daß es in natura wesentlich leerer war. Und es war ein anderes Gefühl, wenn man im grellen Sonnenlicht und der schneidenden Kälte stand.
Sein Atem dampfte. Schemenhafte Gestalten duckten sich zur Seite, als sein Trupp heranmarschierte; Hände und Pfoten hielten sich jederzeit einsatzbereit in der Nähe der Waffengürtel auf.
Wohin Stens Blick auch fiel, überall sah er gigantische Statuen des Khaqans auf die gewöhnlichen Sterblichen herabstarren, die zu ihren unaufschiebbaren Verabredungen durch die Straßen trippelten.
Besonders nervenaufreibend war das laute Grollen des Donners, der unablässig hinter den fernen Bergen polterte und die Stimmung unbestreitbar anheizte.
Sten behielt das im Hinterkopf, als er sich geistig auf den jungen Milhouz und die anderen studentischen Agitatoren vorbereitete.
Sämtliche Gedanken waren jedoch wie weggeblasen, als sie den Platz der Khaqans betraten. Allein seine Ausmaße sprengten die Vorstellungskraft eines normalen Lebewesens.
Ebenso wie die blendenden Farben die Sinne verwirrten. Man tat sich schwer daran, überhaupt einen vertrauten Blickwinkel zu finden. Wandte man sich von einer grellbunten Säule ab, schienen die Augen wieder ihren klaren Blick zu finden, bis sie sich mit dem nächsten Monument von schwindelerregender Größe konfrontiert sahen.
Trotz der gewaltigen Ausmaße des Platzes kam sich Sten auf bedrohliche Weise eingeschlossen vor. Aus gutem Grund.
Sein professioneller Blick erkannte sofort, daß der Platz zur optimalen Kontrolle großer Menschenmassen angelegt worden war. Dann sah er die Todeswand. Er mußte nicht eigens fragen, worum es sich dabei handelte, als er ihre schwarze Glätte betrachtete. Ein Monument des Hasses, ein Symbol durchgedrehter Machtgelüste.
Eine unerwartete Hilflosigkeit erfaßte ihn. Er kam sich viel zu klein für die Aufgabe vor, die vor ihm lag. Sein Bewußtsein sagte ihm, daß das kindisch sei. Der Platz war eigens dazu erbaut worden, um solche Reaktionen hervorzurufen. Trotzdem ließ sich das
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