Sten 7 - Vortex - Zone der Verraeter
anzuschließen.
»Darf ich fragen, was Sie als erstes zu tun beabsichtigen?«
»Ich beabsichtige, diesem Cluster den Frieden zu bringen, wie Sie vor wenigen Augenblicken selbst sagten. Außerdem beabsichtige ich, die Brutalitäten, Ungerechtigkeiten und Boshaftigkeiten des Khaqans und seiner kriecherischen Untergebenen sofort abzustellen.«
»Bewundernswerte Absichten«, sagte Sten und zwang sich, ein wenig Wärme in seine Stimme zu quetschen.
»Vielen Dank.«
»Sie haben in meiner Gegenwart den Begriff Neue Ordnung mittlerweile zweimal benutzt«, fuhr Sten fort. »Was genau verstehen Sie darunter?«
»Sind Sie mit meinen Schriften nicht vertraut? Mit meinen Analysen?«
»Ich muß mich entschuldigen. Leider war ich in letzter Zeit zu sehr damit beschäftigt, zu verhindern, daß aus kleinen Funken Feuersbrünste wurden. Außerdem habe ich erst kürzlich von Ihrer sofortigen Ankunft erfahren.«
»Sie müssen sie lesen«, sagte Iskra ernst. »Ansonsten ist es unmöglich, den Altai-Cluster zu verstehen, geschweige denn, mir dabei zu helfen, ihn zu regieren.«
»Dann werde ich mich sofort daranmachen. Aber, wie Sie soeben sagten, Sie beabsichtigen diesen Cluster zu regieren.
Sehen Sie mir bitte meine Unwissenheit nach, aber in welcher Form wird das geschehen? Um genauer zu sein: Wie repräsentativ wird Ihre Regierung sein?«
»Sehr«, erwiderte Iskra mit fester Stimme. »Sie wird auch nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Tyrannei des Khaqans aufweisen. Aber eine Sache noch, Botschafter Sten.
Sie stammen von einer zivilisierten Welt. Machen Sie nie den Fehler, bezüglich der Wesen in meinem Cluster anthropomorph zu denken.«
>Zivilisierte Welt?< dachte Sten. >Vulkan? Ein von Menschen geschaffener Planet der Sklavenarbeit und des schnellen Todes ?< Er verzog keine Miene, als Iskra fortfuhr.
»Sie müssen verstehen, daß keiner von uns, weder Tork, Jochianer, Suzdal oder Bogazi, jemals Bekanntschaft mit der Demokratie gemacht hat. Auch wenn die Leute hier davon herumdröhnen, so ist ihnen dieser Gedanke in Wirklichkeit schrecklich fremd. Ungefähr so, als erwarte man von jemandem, der von Geburt an blind ist, er könne sich einen Sonnenuntergang vorstellen, ja?
Meine Neue Ordnung verheißt eine ungefähre Richtung, eine Anleitung. Das ist für uns der einzige Weg, vielleicht doch noch zur Freiheit zu gelangen. Bestimmt noch nicht in meiner Zeit, und wahrscheinlich auch noch nicht in der Zeit meines noch ungeborenen Sohnes.
Aber die Zeit wird kommen.
Das ist der Eid, den ich am Grab meines Vaters geleistet habe, und dem ich mein Leben gewidmet habe, nachdem der Khaqan meinen Bruder ermordet hatte.
Der Altai-Cluster wird in Frieden leben. Und mein heiliges Vermächtnis wird sich erfüllen - ganz egal, was es die jetzige Generation kosten wird! Es gibt keinen wahren Heroismus und keine wahre Gottheit, ohne daß man ihr auf dem Weg dorthin Opfer darbringt!«
Dr. Iskras Augen funkelten rot. Sie reflektierten die Sonne, die draußen hinter den Fenstern unterging.
Kapitel 16
»Warum hab' ich nur dieses komische Gefühl«, sagte Alex Kilgour, »als hätten wir es da mit einer Schreimöwe zu tun?«
Er deutete auf den Bildschirm, auf dem die Terrasse des Khaqan-Palastes zu sehen war. >Ich muß mir den korrekten Titel angewöhnen<, sagte sich Sten. >Jetzt trägt Iskra die Krone.<
Auf der Terrasse stand Dr. Iskra mit erhobenen Händen und einem dünnen Lächeln auf den Lippen. Unter ihm toste der Jubel der auf dem riesigen Platz dichtgedrängten Menge.
Hinter Iskra stand der Machtapparat der Altaianer.
Zumindest die Menschen zeigten bei dieser Antrittsrede alle den gleichen erfreuten Gesichtsausdruck. Sten kannte sowohl die Bogazi als auch die Suzdal zu wenig, um ihre Körpersprache genauer zu verstehen. Bei dieser großen Versammlung mußte es sich also um die übliche Rede zur Kommandoübergabe handeln, so wie wenn jemand eine neue Einheit übernimmt und von ihm erwartet wird, daß er sich den niedrigeren Offizieren der Einheit vorstellt und gut Wetter macht. Erst später würde Klartext geredet und verkündet werden, daß einige Köpfe rollen würden.
Der Jubel verebbte, und Iskra setzt seine Rede fort.
»... eine Zeit der Heilung. Eine Zeit, in der wir uns alle von der Vergangenheit und den düsteren Schatten der Rache lossagen können und frischen Mutes gemeinsam für eine gesicherte Zukunft für uns und für die kommenden Generationen streiten sollten.
Wir alle sind Altaianer. Wir bewohnen dieselben
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