Sten 8 Tod eines Unsterblichen
seinen Gunsten?
>Warte nicht auf Ruth!<
"Ich kann's reparieren", krächzte Kea.
"Er ist wach", sagte Ruth. Was bedeutete: Er hat unser Gespräch gehört.
"Was sagst du da, Partner?" Das war Murph.
Jovial. Kea spürte, daß er näher rückte. Stellte sich vor, wie er auf ihn herabblickte. "Hast du gesagt, du kannst ihn reparieren? Den Antrieb?"
Kea wollte mehr sagen. Viel mehr. Aber er hatte nicht die Kraft dazu. Es gab also nur eine Antwort.
"Wasser", krächzte er. Dann kippte er wieder nach hinten. Es war sein erstes und letztes Angebot.
Ein Rascheln. Kühles Wasser benetzte seine Lippen. Der Geruch von Parfüm hüllte ihn ein, zusammen mit einer Stimme. "Oh, mein Liebling", sagte Ruth. "Ich bin so froh, daß du lebst." Ein Kuß streifte seine Wange.
Er schlief.
Kea stützte sich auf seinen gesunden Arm, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Der andere war an seinem Körper festgebunden. "Das hier ist ein intaktes Siegel", sagte er. "Das ist ein Verschlußring. Jetzt... hebt es hoch, dann seht ihr eine Y-förmige Vertiefung."
Auf dem Bildschirm sah er Murphs in
Handschuhen steckende Hände, die seinen Anweisungen folgten. Er war zwischen der Antriebseinheit und einem Träger eingezwängt.
"Hab ich", sagte Murph.
"Gut. In deiner Gürteltasche findest du ein passendes Werkzeug. Aber bevor du den Deckel aufmachst... mußt du unbedingt einen Schutzschirm davorschalten."
"Alles klar", sagte Murph und machte sich an die Arbeit.
"Hat keinen Sinn, sich wegen Krebs zu sorgen", zwitscherte Vasoovan. "Niemand von uns wird so lange leben."
"Wie humorvoll", sagte Ruth. "Das hält uns bei Laune."
Kea ignorierte den Beginn einer weiteren Streiterei. Er ließ sich wieder auf die Pritsche fallen.
"Gebt mir ein wenig Suppe", sagte er. Ruth warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
"Du hast deine Ration schon gehabt", sagte Vasoovan.
"Suppe", sagte Kea. Er war krank. Er brauchte mehr. Ende der Diskussion. Kea blickte auf den Schirm, wo Murph immer noch im Antriebsraum arbeitete. Sobald der Deckel ab war, müßte der nächste Schritt ziemlich leicht sein. Wieder nagte der Hunger unter seinen Rippen. So scharf, als wären sie auseinandergerissen und nicht nur gebrochen.
Er stemmte sich hoch und sah Ruth an; sein Rücken gab ihm dabei kaum Unterstützung. Sie saß immer noch im Sessel. Vasoovan sah zu und hatte ihren Spaß dabei. "Wie kommst du dazu, anderen Leuten Befehle zu erteilen?" knurrte Ruth. "Wie kommst du dazu, die Regeln zu brechen und mehr als alle anderen essen und trinken zu wollen?"
"Spielt keine Rolle", sagte Kea. "Tu's einfach.
Oder sie werden dich dazu zwingen."
Hysterisches Gezwitscher. "Kein Essen, keine Arbeit. Der Junge fährt einen harten Kurs." Alle vier Augenstengel Vasoovans wandten sich Ruth zu.
"Gib ihm, wonach er verlangt", sagte sie. "Oder wir stecken dich zu Fazlur in die Suppe." Ruth tat, was sie sagte.
Kea wartete ab. Murph würde in etwa vier Stunden soweit sein, daß er den nächsten kleinen Schritt machen konnte. Dann würde Kea das nächste bißchen Wissen gegen Nahrung eintauschen.
Und dann noch ein bißchen. Bis alles erledigt war. >In etwa zwei Wochen<, dachte er. >Dann werden wir weitersehen.<
Fazlur war drei Tage zuvor gestorben. Er hatte sich endlos hin und her geworfen, nie mehr ganz das Bewußtsein erlangt, war aber auch nie soweit besinnungslos gewesen, daß er keine Schmerzen verspürt hätte. Niemand hatte den Versuch unternommen, ihm zu helfen, schon gar nicht, ihn zu füttern oder ihm etwas zu trinken zu geben. Kea hatte sich nicht für Fazlur eingesetzt. Warum auch?
Sie hätten es ohnehin abgelehnt, ihm zu helfen. Keas Kuhhandel hätte sich nicht auf Fazlur ausdehnen lassen. Momentan waren Murph, Vasoovan und Ruth am Drücker. Bis seine Wunden verheilt waren, war Kea hilflos.
Außerdem war Fazlur, in Vasoovans
Raubtierlogik, derjenige, auf den man am ehesten verzichten konnte. "Wenn wir Glück haben und es schaffen, brauchen wir ihn nicht. Jedenfalls nicht lebend. Wir haben seinen Beweis. Seinen absoluten Beweis. Steht alles in seinem Datenordner."
"Ich wünschte nur, wir hätten es schon hinter uns", sagte Ruth. "Ich halte dieses höllische Stöhnen nicht länger aus. Manchmal hörte er sich so an, wenn wir uns liebten. Ein echtes Schwein." Kea wandte sich von ihnen ab und widmete sich seinen eigenen Gedanken. Und dem Schlaf.
Einige Zeit später glitt Kea in eine Art Halbschlaf. Fazlur stöhnte. Die anderen gaben Schlafgeräusche von sich.
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