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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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AusBerlin trafen drei Malerinnen ein, Auguste von Zitzewitz (genannt Gussi), Fanny Remak und Helen Grund. Sie logierten nahe beim Café du Dôme, zunächst im Atelier des Malers Maurice Denis, dann im Hôtel d’Odessa. Das Café und die meisten seiner Künstlergäste machten auf Helen einen abstoßenden Eindruck. Der Maler Pascin stellte ihr Franz Hessel vor. Hessel fragte, ob sie ihn in ihr »Paris-Programm« aufnehmen könne, aber Helen antwortete, sie habe niemals ein Programm. Das sollte sich schon bald ändern.
     
    Paris zu lieben ist gar nicht so einfach. In Paris zu lieben ist beinahe unmöglich. Helen Grund sollte es schmerzhaft erleben. Was mag ihr nicht alles vorgeschwebt haben, als sie 1912 an die Seine kam – Malen, Freiheit, Abenteuer, der Reiz muss groß gewesen sein.
    In Paris muss man sich von Vorurteilen und überkommener Moral befreien, und dazu nützte die Metropole auch der Preußin Helen Grund. Ihre Vorfahren waren Offiziere und Pfarrer, aber die protestantischen Pfarrer in Preußen waren nur die moralische Hilfsarmee der Obrigkeit. Ein Urgroßvater von Helen hatte nach 1848 Deutschland wegen seiner liberalen politischen Ideen verlassen und sich in Zürich angesiedelt, später wurde er in der Schweiz eingebürgert. Helen hatte auch eine katholische Großmutter, die bei ihrer Heirat zum Protestantismus konvertiert war.
    Helen Katharina Anita Berta Grund wurde am 30. April 1886 in Berlin geboren als fünftes und letztes Kind einer preußischen Bankiers- und Offiziersfamilie, die im Bayerischen Viertel in Schöneberg wohnte. Der häufigste Männername in ihrer Familie war Friedrich, und auch Stefan erhielt diesen als zweiten Vornamen. Helen besuchte eine private Mädchenschule in Charlottenburg. Mit 18 Jahren begann sie eine Ausbildung als Malerin. Ihr Vater, Friedrich (Fritz) Wilhelm Carl Grund (1848–1931), war ein passionierter Sonntagsmaler. Um 1906 hatte Helen eine kurzeAffäre mit ihrem Kunstlehrer Georges Mosson, der 35 Jahre älter war als sie. Mosson stammte aus Aix-en-Provence, lebte aber seit seinem 14. Lebensjahr in Berlin, wo er als Maler von Porträts, Landschaften und Stillleben Erfolg hatte und sich der Berliner Secession anschloss. Er war es auch, der Helen 1912 riet, sich in Paris umzusehen.
    Der Mädchenname der Mutter lautete Julie Anna Butte. Ihre Kinder hatten dramatische Lebensläufe: Helens Bruder Otto wurde wegen einer Geisteskrankheit interniert. Der andere Bruder Fritz starb durch Selbstmord, ebenso wie die Schwester Ilse; Johanna, genannt Bobann, Zwillingsschwester von Fritz (Jahrgang 1879), heiratete 1914 Franz Hessels Bruder Alfred. Helen (»Lenchen«) war das jüngste Kind, geliebt und verwöhnt und sehr eigenwillig, voller Energie und Tatendrang.
    Was wartete auf Helen im grandios vorgestellten Paris? Sie lernte einen Berliner Juden kennen, der sich schon recht heimisch fühlte in Paris. Es wird nicht ganz so grotesk gewesen sein, wie in Franz Hessels kleiner Geschichte vom Treffen zweier deutschen Touristen vor dem Kamelhaus im Zoo von Vincennes, die sich zuerst nicht als Landsleute erkennen. Die Exotik des Lebens fand Helen nicht in Paris, nur das verwandelte Einheimische, aber ist das in der Liebe nicht immer so …? Und doch, und doch: Das Leben, das sich ihr eröffnete, war nicht banal.
     
    Nur zögernd begann diese neue Bekanntschaft. Erst nach Weihnachten wurden die Treffen von Franz und Helen regelmäßiger. Auch Gussi und die widerstrebende Fanny Remak kamen mit zu Besuchen in der Rue Schoelcher, einer sonderbaren Straße, die an der Ostseite des Friedhofs von Montparnasse verläuft. Sie hat nur vier Häuser mit geraden Nummern (2, 4, 6), deren Reihe durch die Mauer abgelöst wird, und ansonsten ungerade Nummern von 1 bis 15. (In Nummer 11 wohnte nach 1954 Simone de Beauvoir).
    Am 18. Januar 1913 kehrte Franz von einer Reise nach Berlin zurück. Am 26. Januar besuchte ihn Roché in seiner kleinen Wohnung und lernte die drei Berlinerinnen kennen. Auf diese Szene kam Roché 30 Jahre später in seinem Roman
Jules et Jim
zurück. Franz gab Roché zu verstehen, dass er sich ernstlich in Helen verliebt hatte, und bat ihn, sich seinerseits nicht um sie zu bemühen. Roché versprach es und hielt sein Wort. Gemeinsam und unbeschwert ging man in Paris aus oder unternahm kleine Reisen. Bei einem Abendspaziergang durch Montparnasse machten die drei Freunde einmal einen Wettlauf an der Friedhofsmauer entlang. Helen gewann, weil sie zu früh loslief. Wie gut das

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