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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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gerettet werden, was das wirkliche Leben immer wieder dementiert hat.
     
    Franz Hessel wurde am 21. November 1880 in Stettin geboren. Sein Vater, Heinrich Hessel, betrieb dort mit großem geschäftlichen Erfolg Getreidehandel. Der Ursprung der Familie väterlicherseits lag in einem kleinen Ort bei Posen. Vielleicht hatte man Hesekiel geheißen und den Namen zu Hessel vereinfacht. (Als Pseudonym ließ Franz den Namen Hesekiel später wieder aufleben.) Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Hessels nach Stettin gelangt.
    Im Jahre 1888 übersiedelte die Familie nach Berlin, wo der Vater Heinrich nunmehr als Bankier tätig war. Die Hessels wohnten in der Genthiner Straße, Franz besuchte bis zum Abitur das Joachimsthaler Gymnasium. Als der Vater im Jahre 1900 starb, hinterließ er ein ansehnliches Vermögen, das dem jungen Franz Hessel einige materiell unbeschwerte Jahre ermöglichte. Eine jüdische Erziehung hat Franz Hessel nie gehabt; lediglich seine Großmutter versuchte, das religiöse Erbe zu bewahren. Seine eigenen Kinder ließ Franz protestantisch taufen.
    Seine Mutter, Fanny Hessel, geborene Kaatz, lebte von 1850 bis 1931. Das Schicksal ihrer vier Kinder spiegelt eine Epoche. Ihre älteste Tochter Anna heiratete Paul Briske, der 1939 in Berlin an einem Herzanfall starb, als ihn die Gestapo verhaftete. Anna selbst war 1903 bei der Geburt ihres zweiten Kindes, der Tochter Aenne, gestorben. Der Verlust dieser innig geliebten Schwester lag wie ein Schatten über dem sonst unbeschwert wirkenden Franz. Aenne Briske heiratete einen Diamantenhändler und wanderte mit ihrem Mann 1933 nach Südamerika aus, lebte nach dem Krieg wieder in Deutschland, wo sie 1973 starb. Franz’ Bruder Alfred Hessel (1877–1939) war Professor für Geschichte in Straßburg und in Göttingen. Das vierte Kind, Hanns Hessel,1890 geboren, war seit 1915 als Bankier in München tätig. Hanns wurde nach 1933 interniert, aber als Ehemann einer »Arierin« entging er der Deportation. Hanns Hessel lebte nach 1945 wieder in Berlin, dann ab 1955 bis zu seinem Tod 1967 in München.
    Das dritte Kind dieser jüdischen Kaufmannsfamilie, Franz Siegmund Hessel, mochte seinen zweiten Namen gar nicht. In der romanhaften Fassung seiner Jugend
Der Kramladen des Glücks
, erschienen 1913, nennt er sich Gustav Behrendt. In diesem Text finden sich einige Anklänge an die jüdischen Vorfahren, und auch der dritte Zionistenkongress in Basel wird erwähnt. Wichtiger sind die Lehrjahre in München, wie sie auch der Autor erlebte.
    In der deutschen Kunstmetropole dieser Jahre, in dem freiheitlichen, avantgardistischen, ideengeschwängerten Schwabing lebte Franz Hessel in einer »Ehe zu dritt« mit der Schriftstellerin, Lebenskünstlerin und erklärten Nonkonformistin Franziska zu Reventlow und dem polnischen Maler Bogdan von Suchowski. Hessel, der ein wohlhabender Erbe war und eigentlich studieren sollte, sorgte für die finanzielle Unterstützung der Künstler, wurde in München aber nicht glücklich, weder als Mensch noch als Autor. Er lebte im Umkreis der Dichter, Denker, Maler, Propheten wie Stefan George, Ludwig Klages, Alfred Schuler, Karl Wolfskehl, nahm an Festen und Zeremonien teil und schrieb auch recht zeremoniale Gedichte, doch verfasste er auch Satiren auf die Schwabinger Lebenswelt, veröffentlicht im
Schwabinger Beobachter
, den er gemeinsam mit Franziska zu Reventlow redigierte, die für das Künstlerviertel am nördlichen Stadtrand den Spottnamen »Wahnmoching« erfand. Ihre frechen Romane wie
Von Paul zu Pedro
können als Vorläufer von
Jules und Jim
angesehen werden.
    Am 20. März 1906 verließ Franz Hessel München in Richtung Paris, wie so viele Dichter und Maler vor ihm. Das künstlerische Zentrum der Jahre um 1910 war nichtmehr Montmartre, sondern Montparnasse. In den kleinen Seitenstraßen des Boulevard du Montparnasse, damals der südliche Stadtrand, bekam man günstig Ateliers zu mieten. Die deutschen Künstler trafen sich seit 1904 im Café du Dôme, einer einstigen Kutscherkneipe an der Kreuzung zum Boulevard Raspail, der 1910 stark verbreitert wurde. Dort verkehrte bald auch Franz Hessel, der ein Zimmer unter dem Dach des Hauses in der Rue Schoelcher Nummer 4 gemietet hatte. Zu dem Kreis im Café du Dôme gehörten der Autor A. O. H. Schmitz, der Maler Rudolf Levy, Wilhelm Uhde, den es aus dem preußischen Justizdienst in den Pariser Kunsthandel verschlagen hatte, der Wiener Maler und Kunstsammler Walter Bondy, der Maler Hans Purrmann, der

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