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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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Stéphane Hessel immer wieder gesehen und miterlebt, wie er allmählich eine öffentlich wirksame Person wurde. Parallel dazu gingen meine Gespräche mit seinem Bruder Ulrich weiter. Dessen gutes Gedächtnis hat mir bei meiner Arbeit über die Familiengeschichte der Hessels sehr geholfen. Kurz nach seinem 89. Geburtstag ist Ulrich Hessel im Sommer 2003 während der schlimmen Hitzewelle gestorben, die in Frankreich und besonders in Paris sehr viele Todesopfer unter älteren Menschen forderte.
    Stéphane, der nie hatte schreiben wollen, wurde doch noch zum Autor. 1997 erschien seine Autobiographie auf Französisch, zwei Jahre später auf Deutsch, 2005 das Buchmit seinen 88 Lieblingsgedichten und seinen Ansichten zur Lyrik. Ab 1996 engagierte er sich in dem Fall der Afrikaner, die in Paris eine Kirche besetzten: Einwanderer ohne Papiere, die ihren Status legalisieren wollten. Der Diplomat und Schöngeist wandelte sich zum Homo politicus und zum engagierten Zeitzeugen.
    Ende August 2010 traf ich Stéphane Hessel in einem Bistro an der Place d’Alésia, da in seiner Wohnung gemalert wurde. Ich wollte ihm all die Fragen stellen, die ich noch nie zu stellen gewagt hatte. Er antwortete geduldig, wie stets, und bei jedem Mal holte er neue Einzelheiten aus den Tiefen seiner Erinnerung hervor, die den Biographen faszinierten. Dabei hielt sein Leben noch ein ganz anderes Kapitel bereit. Er wurde zum Popstar, zum Gesellschaftsphänomen, zur Kultfigur.

Teil 3: EIN AUFRUF UND SEINE FOLGEN
    Das erfolgreiche Auftreten als Zeitzeuge in eigener Sache in Berlin 1987, der Aufenthalt in der Geburtsstadt kurz nach dem Mauerfall 1989, das Buch über die wahre Geschichte zu Jules und Jim, vor allem aber die Wiederbesichtigung der eigenen Vergangenheit im Rahmen der Dreharbeiten zu dem Film
Der Diplomat
in den Jahren 1993 und 1994 mögen bei Stéphane Hessel die Einübung in eine neue Rolle beflügelt haben. Nach seiner Karriere als Diplomat glitt er allmählich in eine völlig neue Rolle hinein, in aller Öffentlichkeit.

Zehn Schritte zum Ruhm
    Zunächst nahm Stéphane Hessel die Darstellung seiner Lebensgeschichte selbst in die Hand. 1997 erschienen in Paris seine Erinnerungen, deren deutsche Fassung, ein Jahr später erschienen, von seinen Fischerhuder Bekannten Roseli Bontjes van Beek und deren Tochter Saskia betreut wurde. Der Titel
Tanz mit dem Jahrhundert
nahm die Schlussszene aus dem Film
Der Diplomat
auf, in der Stéphane Hessel, begleitet von einem Akkordeonspieler, an der Friedhofsmauer des Cimetière du Montparnasse entlangtanzt, in der Rue Émile Richard, in der einst der Wettlauf stattgefunden hatte, der in
Jules und Jim
zur emblematischen Szene wurde, ganz nah auch der Stelle, wo er einst verhaftet wurde.
    Er wolle selber nicht schreiben, hatte Hessel bis dahin immer gesagt, weil er unter Schreibenden aufgewachsen war. Aber nach dem Achtungserfolg der Erinnerungen, die auch in Deutschland mit einer Serie von Artikeln in der Presse und von Lesungen begleitet wurden, schien er auf den Geschmack gekommen zu sein. Von diesem Zeitpunkt an war er in beiden Ländern eine Gestalt des öffentlichen Lebens.
    Auf dem Umweg über einige Radiosendungen bei France Culture hat er mit Hilfe der Redakteurin Laure Adler ein Buch über seine wichtigsten Gedichte und über sein Verhältnis zur Poesie herausgebracht, das 2005 unter dem Titel
Ô ma mémoire
erschien, eine dreisprachige Anthologie. Schon das Tagebuch seiner Mutter, das inzwischen gedruckt worden war, wechselte zwischen Deutsch, Französisch und Englisch, was bei der Edition leider nicht respektiert wurde. Die deutsche Fassung besorgte Michael Kogon, Sohn von Hessels Lebensretter Eugen Kogon. Er hatte den Text zunächst privat als Geschenk für seine Frau übersetzt, eheer nach einem Treffen mit Stéphane Hessel an einen kleinen couragierten Verlag in Düsseldorf ging.
     
    Es blieb nicht bei Rückbesinnung und Lyrik. Seit 1996 kam die Politik hinzu: Stéphane Hessel mischte sich in öffentliche Auseinandersetzungen ein bei einer brisanten Frage, die ihn aufgrund seiner Herkunft und früheren Tätigkeit besonders betraf: Es ging um den Status von Einwanderern, in diesem Fall von illegal zugewanderten Afrikanern, die ihren Aufenthalt legalisieren lassen wollten und deren Protest bald unter dem Rubrum »les sans-papiers« firmierte (die Papierlosen).
    Zu Ostern 1996 besetzten etwa 300 Afrikaner (aus Mali, Senegal und Algerien) die Kirche Saint-Ambroise im 11. Arrondissement, später

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